
Never ending story Bernie Gunther? Mit der erneuten Wiederkehr des eigensinnigen Privatdetektivs war eigentlich nicht zu rechnen. Denn ursprünglich hatte Philip Kerr die Geschichte als Trilogie angelegt. Dass Gunther das Inferno des Zweiten Weltkriegs überlebt hatte, wussten eingefleischte Kerr-Fans. Aber dass er noch einmal als Schnüffler zurückkehren würde, in eine radikal veränderte Welt (aber in alter Klasse!) – das war schon eine Überraschung. Er ist zurückgekehrt in Philip Kerrs Roman Das letzte Experiment, der bei Wunderlich erschienen ist.
Erst spendierte Kerr der Bernie-Gunther-Serie mit Das Janusprojekt einen spektakulären Nachschlag, um nun noch einen überraschenden Epilog folgen zu lassen. In Das letzte Experiment lässt er den Ex-Polizisten und freischaffenden Detektiv 1954 unter deutschen Alt-Nazis im Exil und einheimischen Gangstern in Argentinien ermitteln. Historische Detailkenntnis, atmosphärische Dichte und der ultracoole Hard-boiled-Sound, den Kerr aus dem Effeff beherrscht, machen die Gunther-Serie zu einem Muss für Krimifans.
„Die Übertragung des hartgesottenen Krimis auf die Verhältnisse jener Epoche funktioniert nicht nur, sie erweist sich als ein ausgesprochener Glücksfall“, schreibt die NZZ. Weil sie Kerr ermöglicht, einen komplexen Charakter wie Bernie Gunther zu entwerfen: Nazigegner und doch schuldig geworden im Krieg, zynisch bis hart an die Grenze des Korrupten und doch ein kantiger Typ mit Mut und Moral.
1936 bis 1938: Es sind die Jahre, in denen das Naziregime durch eine Mischung aus Populismus, Massensuggestion und offenem Terror seine Machtbasis zementiert. Privatdetektiv Bernhard („Bernie“) Gunther – Chandlers Philip Marlowe im schnoddrigen Ton und Hammetts Sam Spade in Sachen geschmeidiger Moral wesensverwandt – beackert nach dem Ende seiner überschaubaren Karriere als Kriminalkommissar am Alex ein einträgliches Geschäftsfeld in der Nazimetropole, die Suche nach Vermissten: „Verschwinden ist jetzt die große Mode. Jeder macht sie mit.“
Dass Privatdetektive in Nazi-Deutschland einen schweren Stand hatten, weil irgendwann immer ein einflussreicher NS-Charge ins Zentrum der Ermittlungen gerät, war Gunther bewusst. Das war in seinem ersten Fall 1936 so, als er den Auftrag annahm, den Mord an der Tochter des schwerreichen Industriellen Six (Feuer in Berlin) aufzuklären, und das war erst recht so im heißen Spätsommer 1938 so, als sein Detektei-Kompagnon Bruno Stahlecker erstochen wurde und Gunther von der Gestapo zu Heydrich, dem Leiter des Reichssicherheitshauptsamtes, ins Prinz-Albrecht-Palais verfrachtet wurde (Im Sog der dunklen Mächte). Neun Jahre später, im bitterkalten Winter 1947, streunen zwar nur noch wenige erklärte Nazis durch die Gegend, aber bei seinen Ermittlungen zwischen Berlin und Wien verliert selbst ein alter Haudegen wie Gunther zwischen alten Seilschaften und neuen Allianzen den Überblick. Ansonsten ist alles wie üblich: Es wird gelogen, betrogen, geheuchelt und gemordet (Alte Freunde – neue Freunde).
Buenos Aires, 1950: Privatdetektiv Bernie Gunther ist im Einsatz für Peróns Geheimpolizei in Argentinien. Er soll ein vermisstes Mädchen finden. Bei seiner Suche stößt er auf ein verlassenes Lager in der Wüste – ein geheimes KZ? Gunther gerät immer mehr unter Druck, denn nicht nur die Perónistas sind hinter dem Mädchen her. Und welche Rolle spielt die schöne Anna? Bald steht Gunther im Fadenkreuz der verschiedensten Mächte…
Philip Kerr wurde 1956 in Edinburgh geboren und lebt in London. Mit Das letzte Experiment schließt er an seinen erfolgreichen Berlin-Zyklus an und begeistert seine Fans aufs Neue mit einem spannenden Historien-Thriller.
(JK 03/09)
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