Der Schriftsteller und Übersetzer
Harry Rowohlt ist tot. Er starb am Montagabend, den 15. Juni 2015, im Alter von 70 Jahren in Hamburg.
Harry Rowohlt
gehörte zu den bekanntesten Stimmen der deutschen Literatur. Er galt als Multitalent,
übersetzte zahlreiche Bücher aus dem Englischen, war Vorleser, Autor, Original,
Botschafter des irischen Whiskeys und seit 20 Jahren der „Penner“ aus der
Dauerserie Lindenstrasse. Seine
Markenzeichen waren die widerspenstige Mähne und der eindrucksvolle Bart.
Geboren wurde
Harry Rowohlt am 27. März 1945 in Hamburg als Sohn des Verlegers Ernst Rowohlt
und der Schauspielerin Maria Pierenkämper. Nach dem Abitur war er Lehrling im
Suhrkamp Verlag. Danach volontierte er kurz im Rowohlt Verlag und fand es „schrecklich“,
wie er wiederholt erzählte. Er zeigte kein Interesse am Familienunternehmen.
Harry Rowohlt erbte 49 Prozent des väterlichen Verlags, wollte aber nicht dort
einsteigen. Sein Vater sei fünf Mal Pleite gegangen. Er sei froh, nicht in den
Verlag eingetreten zu sein, sagte er, „denn diese Tradition hätte ich als
erstes wiederbelebt“. Sein Bruder und er verkauften den Verlag Anfang der
1980er Jahre an die Holtzbrinck-Gruppe.
Harry Rowohlts
Übersetzerkarriere begann 1971 mit einem Buch, das sein Halbbruder Heinrich
Maria Ledig-Rowohlt für unübersetzbar gehalten hatte: The Last Man Alive von A. S. Neill. Unter dem Titel die Grüne Wolke schaffte das Werk als erstes
Kinderbuch 1971 den Sprung in die Spiegel-Bestsellerliste. Harry Rowohlt
übersetzte nur das, was ihm gefiel, und sein Geschmack war unbestechlich. Viele
Werke der amerikanischen, englischen und irischen Literatur verdanken ihre
Resonanz im deutschsprachigen Raum seiner Sorgfalt und sprachlichen
Kreativität. „Ich werde ja nicht dafür bezahlt, dass ich Sandwich mit Sandwich
übersetze, sondern mit Klappstulle.“ Es gehe darum, das Englische ins Deutsche
zu übersetzen und nicht „ins Übersetzte“. Für seine Übersetzungen und Hörbücher
wurde Harry Rowohlt mit allen einschlägigen Preisen ausgezeichnet, darunter dem
Heinrich-Voss-Preis, der Goldenen Schallplatte und, als „All-Age-Übersetzer“,
dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises.
Als Kolumnist
und Vortragskünstler war Rowohlt viele Jahre fast ebenso gefragt wie als
Übersetzer. Harry Rowohlt war ein virtuoser Stimmen-Imitator, sowohl als
Übersetzer wie auch als Vorleser. Sein wichtigstes Arbeitsinstrument war das
Ohr: Ihm entging keine Färbung von Dialekt, Ironie oder Bosheit. Harry Rowohlts
Lesungen waren legendär, ein meist vielstündiges, aus- und abschweifendes „Schausaufen
mit Betonung“, aus dem in den letzten Jahren, als der „Ambassador of Irish
Whiskey“ aus gesundheitlichen Gründen auf Alkohol verzichten musste, eine „Betonung
ohne Schausaufen“ wurde.
Im Fernsehen
war Harry Rowohlt seit vielen Jahren in der Dauerserie Lindenstrasse zu sehen - als Penner Harry. Die Rolle erhielt er,
weil er auf die Frage einer Zeitschrift nach seinem Lieblingsrestaurant vom „Akropolis“
in der Lindenstrasse sprach. Der Witz
war folgenreich: Rowohlt erhielt die kleine Rolle und wurde festes Ensemblemitglied.
Harry Rowohlt lebte mit seiner Frau Ulla in Hamburg-Eppendorf. Nach
langer schwerer Krankheit ist Harry Rowohlt am Montag im Alter von 70 Jahren in Hamburg
gestorben.
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