Kamila Shamsie: Die Straße der Geschichtenerzähler (Berlin Verlag)

Vom neuen im Berlin Verlag erschienenen Buch Die Straße der Geschichtenerzähler der aus Pakistan stammenden Autorin Kamila Shamise schwärmt die britische Tageszeitung The Guardian: „Die blühenden Gärten Peschawars sind so gegenwärtig wie die Feuerwehrleute, die das Blut von den Straßen des Quissa Khawani Basars spritzen. Shamsies bedingungslose Neugier – wie entstehen Weltreiche, wie zerfallen, wie verschwinden sie – hebt den Roman weit aus der Masse der Bücher heraus.“ 

Juli 1914. Über antike Pflastersteine, unter Feigen und Zypressen hindurch, läuft Vivian Rose Spencer eilig den Hang hinauf und stolpert fast unversehens in ihre erste Entdeckung. Tahsin Bey, ein Freund ihres Vaters, hat die junge Engländerin eingeladen, an Ausgrabungen in der Türkei teilzunehmen. Hier, im sagenhaften Labraunda, lässt sie die strengen Konventionen ihrer Heimat weit hinter sich und wird auch Tahsin Bey auf ganz neue Weise begegnen. 

Juli 1915. Der Krieg hat alles verändert. Vivian folgt einer Spur ihres verschwundenen Geliebten, als sie in einem Zug nach Peschawar den jungen, im Krieg verwundeten Paschtunen Qayyum Gul trifft. Beide ahnen nicht, dass ihre Geschicke sich auf immer verbinden und sie eines Tages, auf der Straße der Geschichtenerzähler, wieder zusammenführen werden. 
Es zeichnet einen Autor aus, wenn er es schafft, den Leser auf wenigen Seiten an einen anderen Ort, in eine andere Zeit zu versetzen. All das gelingt Kamila Shamsie. In ihrem Roman stellt sie drei verschiedene Herrschaftsreiche gegen einander: das Persische Reich zwischen 485 und 515 v.Chr., die Auflösung des Osmanischen Reichs und der Untergang der britischen Kolonialherrschaft in Indien. Indem der Roman über zwei Kontinente und zwei entscheidende Momente in der Geschichte des ersten Teils des 20. Jahrhunderts spannt, illustriert Kamila Shamsie, wie Krieg Loyalitäten auf den Prüfstand stellt und Herrschaftssysteme zerstört. Der Roman besitzt epische Qualität. Kamila Shamsie beginnt mit einer Liebesgeschichte und umfasst eine Vielzahl von Themen, darunter Krieg, Kolonialismus, Nationalismus, Gender und Archäologie ohne je didaktisch zu werden. Kamila Shamsie ist geschickt im Ausgraben der Vergangenheit und verflechtet mit großer Wirkung das persönliche und politische. Die ganze Zeit über baut sie Spannung auf und lässt den Leser über das Schicksal ihrer Figuren raten. Der Geruch nach Tabak, Erde und Feigen, das strahlende Licht Kariens – Kamila Shamsie hat einen ebenso sinnlichen wie fesselnden Roman über Liebe und Verrat, über Unterdrückung und das Streben nach Freiheit geschrieben.

Kamila Shamsie wurde 1973 in Karatschi, Pakistan, geboren und lebt in London und Karatschi. Auf Deutsch erschienen von ihr bisher Kartographie (2004), Verbrannte Verse (2005), Salz und Safran (2006) und Verglühte Schatten (2009). Shamsie schreibt regelmäßig für den Guardian und erhielt für ihr literarisches Werk zahlreiche Preise, u.a. wurde sie 2013 als „Granta Best of Young British Novelists“ ausgezeichnet.

Die Straße der Geschichtenerzähler von Kamila Shamsie ist im Berlin Verlag erschienen. 
(JK 04/15)

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