Yan Lianke: Lenins Küsse (Eichborn)

Von dem chinesischen Autor Yan Lianke ist sein viel umjubelter Roman Lenins Küsse  bei Eichborn auf Deutsch erschienen.

Ein Sommerschneesturm vernichtet die Ernte im Balou-Gebirge. Hunger droht, doch Kreisvorsteher Liu weiß die Lösung: Tourismus bringt Geld, und Lenin ist ein Touristenmagnet. Russland den Leichnam Lenins abzukaufen liegt da natürlich nahe. Moskau kann sich schließlich die Erhaltung der Leiche sowieso nicht mehr leisten. Um den Ankauf Lenins zu finanzieren, sollen die Dorfbewohner eine Art Zirkus gründen. Dass diese allesamt behindert sind, schreckt Liu nicht. 

Das preisgekrönte Romancier Yan Lianke ist einer der interessantesten Schriftsteller Chinas und ein Meister einfallsreicher Satire. Seine Arbeit zeichnet sich durch eine liebevolle Treue zu seiner bäuerlichen Herkunft aus der armen Provinz Henan und seiner heftigen Wut über den politischen Missbrauch durch das chinesische Regime aus. Sein Roman Lenins Küsse ist eine absurde historische Allegorie auf das grassierende Fieber Geld zu machen, das durch China nach Deng Xiaopings Öffnung der chinesischen Wirtschaft in den 1990er Jahren fegte. In dieser dunklen Komödie sind die Regierungsbeamten aufgeblasen und korrupt und die nichtbehinderten Mitbürger brutal und unehrlich. Das geplante Mausoleum hat genau die Dimensionen wie das Mao Zedong Mausoleum auf dem Tiananmen-Platz und ist genauso absurd schwülstig, eine schmerzhafte Anspielung auf die Unterdrückung der historischen Wahrheit. In einem Interview hat Yan Lianke andere Schriftsteller aufgerufen, der Zensur nicht mit Politik sondern mit Kunst zu begegnen. Dieser aufgebauschte aber innovative Roman setzt mit seinem Witz, seiner Menschlichkeit und Satire ein provokatives Beispiel.

Yan Lianke, 1958 geboren, gehört zu den wichtigsten Schriftstellern Chinas. Einige seiner Romane wurden sofort nach dem Erscheinen verboten, andere haben eine riesige Leserschaft. Er hat alle wichtigen Preise Chinas gewonnen und muss ständig mit der Zensur kämpfen, weil er sich nicht an die Sprachregelungen und Denkverbote der Partei hält. Lenins Küsse war Buch des Jahres der New York Times und des New Yorker 2012, Finalist des Man Booker International und Kafka-Preis 2013.

Lenins Küsse von Yan Lianke ist bei Eichborn erschienen. 
(JK 03/16)

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