Yiyun Li: Schöner als die Einsamkeit (Hanser)

Yiyun Lis neuer Roman Schöner als die Einsamkeit, erschienen bei Hanser, handelt von einer verlorenen Generation, die weder in China noch in Amerika eine Heimat findet.

Peking, Ende der achtziger Jahre: Drei ungleiche Freunde wachsen im gleichen Häuserblock auf. Ruyu, ein streng katholisch erzogenes Waisenmädchen aus der Provinz, und die wohlhabenden, aber vernachlässigten Boyang und Moran. Doch als eine weitere Freundin, Shaoai, vergiftet wird und ins Koma fällt, geht ihre Freundschaft auseinander. Shaoai hatte mit dem Tiananmen-Aufstand sympathisiert, der Vorfall wird nicht geklärt. Boyang macht danach im modernen China als Geschäftsmann Karriere und bleibt doch ähnlich heimatlos wie Ruyu und Moran nach ihrer Emigration in die USA. Als nach zwanzig Jahren die Nachricht vom Tod Shaoais kommt, holt sie alle die verdrängte Vergangenheit wieder ein. 

Die Struktur des Romans lädt ein entweder pure Spannung aufzubauen oder unerwartete psychologische Tiefen bei den handelnden Personen der Geschichte zu enthüllen. Li, die in den vergangenen Jahren zu Recht mit Auszeichnungen für ihre vorhergegangenen Bücher ausgezeichnet wurde, scheint beide Wege anzuvisieren. Lis bisherige Arbeit hat gezeigt, dass sie kraftvoll schreiben kann. In diesem Buch wendet sie ein neues Stilmittel an und mischt sich manches Mal durch eine Art moralisierenden auktorialen Kommentar ein. Dies dient jedoch nicht immer dem Fluss einzelner Szenen und wirft eine Aura gewichtiger Feierlichkeit über die Handlung. Es ist nicht so, dass ihre Kommentare nicht erhellend wären, manchmal sind sie jedoch recht kompliziert ausgedrückt, dass man durch die Zeit, die man braucht, sie zu entziffern, der erhellende Moment verpufft. Erst zur Hälfte des Romans nimmt die Handlung Fahrt auf, als aus den ähnlich strukturierten Charakteren eigene Persönlichkeiten werden. Sie werden dann für den Leser habhaft, um mit ihnen sympathisieren zu können. Die langsam rückwärts kreisende Handlung nähert sich dem ursprünglichen Verbrechen und der Leser erkennt die Kräfte, die die Charaktere verbindet. Bis dahin war die Handlung eher die dreier nur sehr lose verknüpfter Geschichten. Shaoai wird als Figur ebenfalls immer komplexer. Li porträtiert sie in keinster Weise als Heilige sondern macht aus ihr einen schwierigen, unsympathischen Teenager, mit einem Hang Jammer zu verbreiten und einer geradezu verschlingenden Sexualität. Li verleitet den Leser über das zu spekulieren, was alles hätte passieren, anders ausgehen können.

Yiyun Li, 1972 geboren, wuchs in Beijing auf und lebt seit 1996 in den USA. Ihre Kurzgeschichten und Essays wurden u.a. im New Yorker und in der Paris Review veröffentlicht. Für ihren Erzählungsband Tausend Jahre frommes Beten (2011) erhielt sie u. a. den PEN / Hemingway Award und den Guardian First Book Award. Yiyun Li lehrt in einem Masterprogramm für kreatives Schreiben am Mills College, Kalifornien. 2014 erhielt sie den Benjamin H. Danks Award, verliehen von der American Academy of Arts and Letters.

Schöner als die Einsamkeit von Yiyun Li ist bei Hanser erschienen. 
(JK 02/16)

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