Yvonne Adhiambo Owuor: Der Ort, an dem die Reise endet (Dumont)

Von der kenianischen Autorin Yvonne Adhiambo Owuor ist bei Dumont ihr Debütroman Der Ort, an dem die Reise endet erschienen.

Kenia, 2007. Odidi Oganda, ein hochtalentierter Student, wird in den Straßen Nairobis erschossen. Seine Schwester Ajany kehrt aus Brasilien zurück, um mit ihrem Vater seinen Leichnam nach Hause zu überführen. Doch die Heimkehr auf die verfallene Farm im Norden des Landes hält keinen Trost für sie bereit. Zu schmerzhaft sind die Erinnerungen, die der Mord heraufbeschworen hat und die die Familie im Griff halten: an die koloniale Gewaltherrschaft und die blutigen Auseinandersetzungen nach der Unabhängigkeit. Ajanys Mutter flieht von Wut und Trauer erfüllt in die Wildnis. Und ihr Vater muss sich einer brutalen Wahrheit stellen. Doch im Moment größter Verzweiflung entsteht auch etwas Neues: Eine Liebe – oder zumindest eine Verbindung – nimmt ihren Anfang.

vonne Adhiambo Owuors fesselnder Roman spielt vor dem Hintergrund der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Kenia im Jahr 2007. Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl war umstritten, aber dennoch wurde Mwai Kibaki in aller Eile als Präsident vereidigt, worauf Wochen der Gewalt mit Hunderten von Toten folgten. Die Autorin liefert keine Berichterstattung dieser Ereignisse oder auch über solche aus der Vergangenheit. Ihre Erläuterungen der Umstände entfalten sich aus Erinnerungen und Geheimnisse werden durch die Umstände in der Geschichte gelüftet, wodurch sie sich dem Leser und auch den Figuren des Romans offenbaren. Dies ist eine anspruchsvolle Methode, wird jedoch mit großer Wirkung ausgeführt. Jede Figur hat eine Geschichte, und Owuor versucht sie gleichermassen geheimnisvoll und plausibel zu gestalten. Die Handlung verschiebt geschickt den Fokus zwischen diesen Geschichten, ohne Richtung oder Spannung zu verlieren. Die Beziehung zwischen Akai und dem britischen Kolonialbeamten Hugh Bolton spielt hier eine eigene Rolle. Die Entwirrung dieses Mysteriums zusammen mit seinem schäbigen und gewaltsamen Ende geschieht durch verschiedene Ebenen der Erzählung, an der mehrere der Charaktere beteiligt sind.

Der Kern des Romans, getarnt durch seine intensiv poetisierende Beschwörung der Erfahrungen und dem Wunsch, einfache Emotionalität zu vermeiden, ist ein moralisches Anliegen vergangenes Unrecht zu vergeben. Dies soll nicht dem Roman als Happy End dienen sondern ist ein Fingerzeig auf die aktuelle Situation Kenias und zeichnet sich als der einzige mögliche Weg für die Zukunft ab. Der Ort, an dem die Reise endet ist ein feiner, mitfühlender Roman, der die Komplexität der menschlichen Beziehungen genießt. Es wird in einer Sprache geschrieben, die auf schöne Weise beobachtet und stets wachsam ist in seiner Einsicht und Sympathie.

Yvonne Adhiambo Owuor wurde 1968 in Kenia geboren. Ihre Kurzgeschichten erschienen in internationalen Literaturmagazinen. 2003 wurde sie mit dem Caine Prize for African Writing ausgezeichnet. Der Ort, an dem die Reise endet ist ihr erster Roman, der 2015 auf der Shortlist für den Folio Prize stand und für den sie den Jomo Kenyatta Prize for Literature erhalten hat. Yvonne Adhiambo Owuor lebt in Nairobi.

Der Ort, an dem die Reise endet von Yvonne Adhiambo Owuor ist bei Dumont erschienen. 
(JK 05/16)

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