Fremde Freunde: Die französischen Autorinnen Cécile Wajsbrot, Anne Weber und Shumona Sinha lesen im Literaturhaus am Dienstagf, 11. April

Literaturhaus
Dienstag, 11.04.2017   19.30 Uhr 
Schwanenwik 38,  Hamburg
Eintritt:  6 / 10 Euro

Fremde Freunde: Die französischen Autorinnen Cécile Wajsbrot, Anne Weber und Shumona Sinha lesen im Literaturhaus. Die deutschen Texte liest Oda Thormeyer, den Abend moderiert Christoph Vormweg.

„Francfort en français – Frankfurt auf Französisch“, so lautet das Motto der diesjährigen Buchmesse in der Mainmetropole. Das größte Nachbarland Deutschlands ist seit Jahrzehnten wichtiger Freund und Verbündeter – aber was heißt das eigentlich, deutsch-französische Freundschaft? „Fremde Freunde“ nennt sich die Reihe, bei der achtzehn deutsche und französische Autorinnen und Autoren in unterschiedlichen Städten zusammenkommen. Sie lesen aus ihren aktuellen Romanen und Erzählungen und tauschen sich aus, über Leben und Literatur dies- und jenseits des Rheins.  

In Hamburg begrüßen wir als „Fremde Freunde“ Cécile Wajsbrot, Anne Weber und Shumona Sinha. Sie alle leben und schreiben zwischen den Sprachen. Von Cécile Wajsbrot erschien zuletzt der im Verlag Christian Bourgois erschienene Essay Une autobiographie allemande und von Anne Weber der autobiografische Essay Ahnen. Ein Zeitreisetagebuch, der zeitgleich auf Französisch veröffentlicht wurde, sowie der für den Preis der Leipziger Buchmesse 2017 nominierte Roman Kirio, erschienen bei S. Fischer. Shumona Sinhas Roman Kalkutta erschien bei Edition Nautilus und ist 2014 mit dem Prix du Rayonnement de la langue et de la littérature françaises ausgezeichnet worden.

Cécile Wajsbrot wurde 1954 als Tochter polnischer Juden in Paris geboren. Ihre Familie war nach Frankreich geflüchtet. Cécile Wajsbrot studierte in Paris vergleichende Literaturwissenschaften und arbeitete anschließend als Französischlehrerin und Rundfunkredakteurin. Sie hat Bücher aus dem Englischen und Deutschen ins Französische übersetzt, u.a. von Virginia Woolf, Suzan Wicks, Charles Olson, Gert Ledig und Wolfgang Büscher. Sie ist Mitarbeiterin der Zeitschriften Autrement, Les nouvelles Littéraires und Le Magazine littéraire. Heute lebt sie als freie Schriftstellerin abwechselnd in Paris und Berlin. Wajsbrot, deren Romane oft einen autobiographischen Hintergrund haben, thematisiert u.a. das Thema der Shoa, bzw. das Schweigen zwischen den Generationen über traumatische Ereignisse der Vergangenheit, sowohl in Bezug auf die französische als auch die deutsche Nachkriegsgeschichte.

Une autobiographie allemande von Cécile Wajsbrot ist bisher nur auf Französisch im Verlag Christian Bourgois erschienen.

Wer ist Kirio? Ein seltsamer Vogel, ein Verrückter, ein Heiliger? Seine Spur findet sich zuerst in Südfrankreich und verliert sich im Hanau der Brüder Grimm. Kirio läuft gerne auf den Händen und stellt auch sonst alles auf den Kopf. Er spielt Flöte und redet mit Steinen und Fledermäusen ebenso selbstverständlich wie mit Menschen. Er nimmt alles für bare Münze, bis auf die bare Münze selbst. Er vollbringt Wunder über Wunder und merkt es nicht. Wer also ist dieser Kirio? Und wem gehört die Stimme, die von ihm erzählt? Sie weiß es selber nicht! Und so ist das Rätsel auch dem Leser aufgegeben. Ist es die des Autors? Die des Schöpfers? Eines Engels? Der Phantasie? Anne Webers neuer Roman liest sich wie eine moderne Heiligenlegende und zugleich als poetischer Grenzgang zwischen Himmel und Erde.

Anne Weber, geboren 1964 in Offenbach, lebt als Autorin und Übersetzerin in Paris. Ihr Werk wurde unter anderem mit dem Heimito-von-Doderer-Preis, dem 3sat-Preis, dem Kranichsteiner Literturpreis und dem Johann-Heinrich-Voß-Preis ausgezeichnet. Ihre Bücher schreibt Anne Weber auf Deutsch und Französisch.

Kirio von Anne Weber ist bei S. Fischer erschienen.

Nach dem großen Erfolg von Erschlagt die Armen! Ist Kalkutta der neue preisgekrönte Roman von Shumona Sinha. In ihrer unnachahmlich poetischen Sprache erzählt Sinha von einer verlorenen Kindheit in Indien, zwischen gestern und heute, zwischen der Familien- und der politischen Geschichte.

Nach vielen Jahren in Frankreich kehrt Trisha anlässlich der Einäscherung ihres geliebten Vaters zurück in ihre Geburtsstadt Kalkutta. Im verlassenen Haus der Familie, in dem sie aufgewachsen ist, schicken die Möbel und vertrauten Gegenstände aus alten Tagen ihre Gedanken auf eine Zeitreise in die Vergangenheit. Da ist zum Beispiel die rote Steppdecke, die sie nicht nur an die Hausierer erinnert, die solche Decken anfertigten, sondern auch daran, wie sie eines Nachts ihren Vater dabei beobachtete, wie er in ebendieser aufgerollten Decke einen Revolver versteckte. Oder das kleine Fläschchen mit Hibiskusöl, mit dem man ihrer Mutter Urmila die Kopfhaut massierte, wenn diese wieder einmal von schwerer Melancholie überwältigt wurde. Indem Trisha sich in die Kratzer und Risse dieser Objekte, der Möbel, des Hauses versenkt, ersteht die Vergangenheit mehrerer Generationen einer Familie wieder auf, und damit auch die kollektive, politische Vergangenheit Westbengalens – von der britischen Kolonialzeit bis zur jahrzehntelangen kommunistischen Regierung seit den späten 1970er Jahren.

Shumona Sinha, geboren 1973 in Kalkutta, lebt seit 2001 in Paris. An der Sorbonne schloss sie ihren Magister in Literaturwissenschaft ab. Von 2001 bis 2008 arbeitete Sinha als Lehrerin für Englisch an weiterführenden Schulen; ab 2009 war sie als Dolmetscherin für Asylsuchende tätig. Nach der Veröffentlichung von Erschlagt die Armen! 2011 verlor sie ihre Arbeit bei der französischen Migrationsbehörde. Ende 2013 erschien ihr dritter Roman Kalkutta, ebenfalls vielfach ausgezeichnet. Sie veröffentlichte mehrere Gedichtbände auf Französisch und Bengalisch. 2008 erschien ihr erster Roman Fenêtre sur l’ Abîme.
 
Kalkutta von Shumona Sinha ist bei Edition Nautilus erschienen.

Die Lesung ist ein Beitrag zum offiziellen Ehrengast-Programm „Francfort en Française, Frankfurt auf Französisch“ in Kooperation mit Institut Français und dem Goethe-Institut.
(JK 04/17)

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