Kühne
Logistic University
Dienstag, 30.05.2017 20.00
Uhr
Großer Grasbrook 17, Hamburg
Eintritt: 9 / 14 Euro
Vor 25 Jahren sind es nur wenige,
die in Lampedusa ankommen, vor allem Nordafrikaner wagen sich in kleinen Booten
aufs Meer und landen dort am Strand. Sie sind Vorboten einer menschlichen
Katastrophe, die sich auf dem Mittelmeer anbahnt, mittendrin die kleine
Vulkaninsel Lampedusa, ihre 4500 Einwohner und der Arzt Pietro Bartolo. Durch
den Berlinale-Gewinnerfilm Seefeuer
wurde Bartolo bekannt, doch allzu viel erfährt man in dem zurückhaltenden Film
nicht über ihn. In seinem Buch An das
Leid gewöhnt man sich nie. Salztränen. Mein Leben als Arzt auf Lampedusa,
erschienen im Suhrkamp Verlag, erzählt der Sohn einer Fischerfamilie zusammen
mit der Journalistin Lidia Tilotta aus seinem Leben. In der Kühne Logistic
University stellen sie ihr Buch vor. Der Journalist Udo Gümpel (ntv / RTL) moderiert
und übersetzt das Gespräch.
Als
einziges Kind der Familie wird Pietro mit dreizehn Jahren nach Trapani im
Westen Siziliens aufs Gymnasium geschickt. Er studiert Medizin und kehrt mit
seiner Familie Ende der 1980er Jahre zurück nach Lampedusa, zurück nach Hause
auf seine Insel. Bartolo macht eine Praxis auf, wird Hauptverantwortlicher für
die medizinische Versorgung in der Region. Heute hat er mit seinem Team an die
„dreihunderttausend Menschen untersucht“. Allein im März 2011 sind an wenigen
Tagen sechzigtausend Migranten angekommen. Wie sich Pietro Bartolo, bei all dem
Leid, das er gesehen hat, sein Mitgefühl und seine Menschlichkeit bewahren
konnte, fragt man sich bei der Lektüre des Buches immer wieder. Dass er selbst
als Sechzehnjähriger von einem Fischerboot stürzt und fast ertrinkt, ist eine
seiner Erklärungen. „Wo es um das Leben und Schicksal von Menschen geht“, sagt
er von sich, könnte er „niemals diplomatisch sein“. Mitgefühl erfordert Mut und
Unbeugsamkeit, nicht nur bei einem Arzt wie Bartolo, der oft nachts ganz allein
die vielen ums Leben gekommenen Flüchtlinge untersuchen muss, sondern auch bei
den Seeleuten auf der Insel, die sogar dann noch Migranten retten, als der
Staat ihnen verbietet, sie an Bord zu nehmen. „Es ist nicht zulässig, ja, nicht
einmal denkbar, einen Menschen, wer auch immer er sei, der Gewalt der Wellen zu
überlassen“, erklärt Bartolo. In den Nächten vom 8. bis 11. Mai 2011 beteiligen
sich Feuerwehr, Militär und Inselbewohner an einer Rettungsaktion. 540 Menschen
werden von einem gestrandeten Schiff in Sicherheit gebracht. Am „traurigsten
Tag in der Geschichte Lampedusas“, dem 3. Oktober 2013, ertrinken 390 Menschen
nach einem Schiffbruch, die Küstenwache und einheimische Fischer retten 155
Flüchtlinge. Die ganze Insel reagiert „mit einem Marathonlauf der Solidarität“.
In der Folge reagiert die Politik mit einer Operation der italienischen Marine
zur Seenotrettung. Pietro Bartolo wird mit mehreren Preisen ausgezeichnet, u.a.
erhält er 2016 den „Deutsch-Französischen Preis für Menschrechte und
Rechtsstaatlichkeit“. Die Situation auf Lampedusa hat sich durch die weltweite
Beachtung insgesamt verbessert. Auch das Buch von Pietro Bartolo, ein
„Zeugnis“, „schwarzweiß, ungeschminkt und ohne Beschönigung“ hat zur
Verbesserung der Situation beigetragen.
An
das Leid gewöhnt man sich nie. Salztränen. Mein Leben als Arzt auf Lampedusa von Pietro Bartolo und Lidia Tilotta ist
bei Suhrkamp erschienen.
Eine
gemeinsame Veranstaltung von HarbourFront-Literaturfestival, Festival „Theater der
Welt“ und Istituto Italiano di Cultura Hamburg.
(JK 05/17)
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