Der Autor Matthias Brandt und der Musiker Jens Thomas präsentieren eine Wort-Musik-Collage im Deutschen Schauspielhaus am Freitag, 19. Mai

Deutsches Schauspielhaus
Freitag, 19.05.2017  20.00 Uhr
Kirchenallee 39, Hamburg
Eintritt: 9 – 29 Euro

Matthias Brandt stellt sein Buch Raupatrouille, das bei Kiepenheuer & Witsch erschienen ist, als eine Wort-Musik-Collage vor zusammen mit dem Musiker Jens Thomas und seinem Album Memory Boy.
 
Auf den ersten Blick ist es eine ganz normale Familie: Mutter, Vater, Kind und Hund, die auf dem Bonner Venushügel in einem soliden Eigenheim leben. Der Junge, um dessen Lebenshorizont die Geschichten kreisen, will mal Torwart werden, später Astronaut und falls das nicht klappt, vielleicht Briefträger. Matthias Brandt ist dann Schauspieler geworden, er hat an renommierten deutschsprachigen Theatern gespielt und stand in den letzten Jahren vor allem vor der Kamera.

In seinem literarischen Debüt Raumpatrouille erzählt er in kurzen Geschichten von einer Kindheit in einer Stadt am Rhein, die damals Hauptstadt der Bundesrepublik war, in den siebziger Jahren ein beschaulicher Ort, um groß zu werden, besonders wenn man sich nichts mehr wünscht als Normalität. Doch für den jungen Helden lauert in Bonn damals hinter jeder Ecke der Ausnahmezustand, denn der angestrengt lächelnde Herr auf den Plakaten, an denen er auf dem Schulweg vorbeikommt, ist sein Vater. Gerade hat er sich noch „auf der Suche nach einem Pflaster in der Badezimmertür“ an ihm „vorbeigeknurrt“, weil er sich beim Rasieren geschnitten hat. Später wird er im Bundeskanzleramt sitzen, sein Name ist Willy Brandt. Der Sohn streift oft alleine durch das große Haus, auf dem Grundstück patrouillieren Personenschützer, die ihm nicht alle freundlich begegnen, immerhin gibt es auch einen Bernd Stöckl, der in einem Kabuff in der Einfahrt sitzt und sich besuchen lässt. In der Nachbarschaft freundet er sich früh mit dem schweigsamen Herrn Lübke an, den sonst alle für deppert halten, und versteckt sich hinter seinen Klassenkameraden, damit er nur ja nicht persönlich von ihm begrüßt wird, als sie ihm zum Geburtstag ein Ständchen singen. Er will schließlich auf keinen Fall, dass die anderen etwas von seiner Freundschaft mit dem Bundespräsidenten erfahren. Doch so einfach kann er sich nicht immer aus der Affäre ziehen. Als seine Eltern endlich einmal mit ihm zum Rummel fahren, der im September auf der anderen Rheinseite stattfindet, freut er sich zunächst, weil auch alle seine Kumpels schon dort waren. Sie fahren in einer Wagenkolonne vor, werden mit Applaus und Buhrufen begrüßt und von Fotografen begleitet, sogar einen Hauptgewinn darf er mit nach Hause nehmen. Und hat absolut keine Freude daran. Eine der schönsten Geschichten des Bandes heißt Welthölzer. Sie erzählt von einem Fahrradausflug mit dem Vater und einem gewissen Herrn Wehner. Es ist eine kurze und hochkomische Geschichte, die sehr liebevoll von einer durch die äußeren Umstände hoch belasteten Vater-Sohn-Beziehung erzählt und vom Scheitern einer politischen Allianz. 

Die in der Literaturkritik vielgelobte, literarische Aussöhnung mit einer problematischen Kindheit, die Matthias Brandt mit seiner Raumpatrouille unternommen hat, ist Teil eines Projektes mit dem Musiker Jens Thomas. Memory Boy heißt das neue Album von Thomas, das ebenfalls eine Annäherung an die eigene Kindheit thematisiert. Album und Buch stellen sie nur gemeinsam vor – in einer Wort-Musik-Collage, die einen besonderen Blick auf einen Kosmos wirft, den wir alle kennen und ein ganzes Erwachsenenleben lang immer wieder neu entdecken. 

Matthias Brandt, geboren 1961 in Berlin als jüngster Sohn von Rut und Willy Brandt, ist einer der bekanntesten deutschen Schauspieler. Er war an renommierten deutschsprachigen Theatern engagiert, in den letzten Jahren arbeitete er hauptsächlich vor der Kamera. Für seine Leistungen ist er vielfach ausgezeichnet worden.

Raumpatrouille  von Matthias Brandt ist bei Kiepenheuer & Witsch erschienen.

Eine Veranstaltung der Buchhandlung Heymann.
(JK 05/17)

Keine Kommentare: