Andreas Stichmann, für Jackie
in Silber und Das große Leuchten gefeiert, zählt zu den begabtesten
literarischen Stimmen der Gegenwart. Sein Sinn für Komik, seine Sympathie für
Verlierer und Verlorene sind unübertroffen, ebenso sein Sprachgefühl und seine
Ausdruckskraft. Das zeigt sich einmal mehr in seinem bei Rowohlt erschienenen
hoch komischen und zutiefst ernsthaften Roman Die Entführung des Optimisten
Sydney Seapunk, der von den Rändern der Gesellschaft direkt ins Herz der
Sache trifft.
Alles beginnt in Hamburg
Osdorf. Der Sonnenhof – früher alternatives Wohnprojekt, heute eher betreutes
Wohnen – hat schon bessere Zeiten gesehen. Findet Ramafelene, genannt Raffi,
35, der seit seiner Kindheit dort lebt. Von seiner Mitbewohnerin und Mutter
kommt jedenfalls nicht mehr viel. Ihr scheint in den 80ern mit dem Mann auch
die Menschenliebe verlorengegangen zu sein. Schlimm. Findet auch Bianca, 17,
die auf dem Sonnenhof ihre Sozialstunden ableistet. Bianca, mit den blauen
Haaren, in die Ramafelene sich verliebt. Was Küwi nicht gefällt, obwohl er gerade
selbst einen neuen Freund gefunden hat: einen Mann ohne bürgerlichen Namen.
Einen Mann mit einer Vision. Die den Sonnenhof miteinschließt. Und die
Entführung eines Millionenerben. Schlimm? Man wird sehen. „Hat jedenfalls erst
mal nichts mit Gefährlichkeit zu tun“, findet Küwi. „Ist was Politisches mit
Solidarität. Ist Inhalt von dem Lied ‚Die Internationale‘, das man mag.“ Der
Sonnenhof hat schon bessere Zeiten gesehen, ja, aber warum sollten nicht die
besten – und zwar für alle Menschen – noch kommen?
In Stichmanns Roman scheint
jeder Charakter auf der Suche zu sein. Ihre Sorgen stimmen nachdenklich, auch
wenn das Aufeinandertreffen dieser Figuren so kurios und komisch auch sein mag.
Er schreibt schlicht und beschränkt sich auf wesentliche Details, die aus unterschiedlichen
Perspektiven erzählt werden. Summa summarum handelt es sich um eine
ungewöhnliche Geschichte mit einzigartigen Charakteren, witzig vorgetragen aber
auch riskant überladen mit einer Situationskomik, die möglicherweise nicht
jedermanns Geschmack ist.
Andreas
Stichmann, 1983 in Bonn geboren, studierte am Deutschen Literaturinstitut in
Leipzig. 2008 erschien sein Erzählungsband Jackie in Silber, für den er
unter anderem den Clemens Brentano-Preis, den Kranichsteiner
Literaturförderpreis und den Hamburger Förderpreis für Literatur bekam. Das
große Leuchten, sein erster Roman, wurde für den Bachmann-Preis nominiert
und mit dem Förderpreis zum Bremer Literaturpreis ausgezeichnet. Andreas
Stichmann lebt in Berlin.
Die Entführung des Optimisten Sydney Seapunk von Andreas Stichmann ist bei Rowohlt
erschienen.
(JK 06/17)
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