Der aus Jamaika stammende
Autor Marlon James wurde für seinen Roman Eine kurze Geschichte von sieben
Morden mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet. Heyne hat den Roman auf
Deutsch veröffentlicht.
Jamaika, 1976: Sieben
bewaffnete Männer dringen in das Haus des Reggae-Musikers Bob Marley ein und
eröffnen das Feuer. Marleys Manager wirft sich schützend über ihn und erleidet
dabei lebensgefährliche Verletzungen. Marleys Frau Rita wird ebenfalls schwer
verwundet, er selbst bleibt mit leichteren Verletzungen an Armen und Brust
zurück. Wer waren die Täter? Was waren ihre Motive? Ausgehend von dem Attentat
und den Spekulationen, die sich darum ranken, entwirft Marlon James ein
vielseitiges Stimmungsbild Jamaikas in den 70er und 80er Jahren voll Gewalt,
politischer Willkür, Drogen und Intrigen, ausgestaltet bis ins kleinste Detail.
Entgegen des Titels ist
der Roman nicht kurz. Für das Schreiben des fast 700 Seiten zählenden Romans
mit über 75 Figuren und Stimmen benötigte James über vier Jahre, wobei er von
vier Rechercheuren unterstützt wurde und sich des Jargons der 1970er-Jahre
bediente. Für die 853 Seiten der deutschen Ausgabe beim Heyne Verlag waren
insgesamt fünf Übersetzer tätig. Marlon James hat in seinen Romanen die
Tendenz, dunkle, blutige Orte aufzusuchen und sie zu beleuchten. Vergleiche mit
Quentin Tarrantino sind schnell bei der
Hand, obwohl Marlon James selber sagt, dass er es unbedingt vermeiden will, in
eine Art Pornographie der Gewalt abzurutschen. Er erfindet ein Ghetto, das von
Gewalt beherrscht wird. Die vielen Figuren im Roman sind die Zeitzeugen der
alltäglichen Brutalität und Marlon James lässt sie durchaus als Kakophonie zu
Wort kommen. Bob Marley selber übrigens wird im Roman nie mit Namen genannt,
obwohl er der Anlass für diesen Roman war. Ein beeindruckendes mächtiges Werk
hat Marlon James geschrieben und nimmt den Leser mit auf eine spannende,
ambitionierte Reise.
Marlon James wurde 1970
als Sohn zweier Polizeibeamter in Kingston geboren. Mehr als zehn Jahre
arbeitete er als Werbetexter und Grafikdesigner, u.a. für den Dancehall-Musiker
Sean Paul und das T-Magazin der New York Times. Bei einem Literaturworkshop in
Jamaika wurde eine Dozentin der Wilkes University Pennsylvania auf James
aufmerksam und verschaffte ihm ein Masterstudium in Kreatives Schreiben sowie
eine Assistentenstelle. Sein erster Roman John Crow’s Devil erfuhr über
siebzig Ablehnungen, ehe er einen Verlag fand und in der Folge als bestes Debüt
für den Los Angeles Times Book Prize und den Commonwealth Writers’ Prize
nominiert wurde. Für sein 2009 erschienenes Nachfolgewerk The Book of Night
Women über eine Revolte jamaikanischer Sklavinnen während der Kolonialzeit
erhielt James den Dayton Literary Peace Prize und den Minnesota Book Award.
Sein dritter Roman Eine kurze Geschichte von sieben Morden, wurde
ebenfalls vielfach ausgezeichnet. Als erster Jamaikaner erhielt James den Man
Booker Prize. Marlon James lebt offen homosexuell und hat seine Heimat wegen
der dort vorherrschenden Ressentiments und teils gewaltsamer Übergriffe verlassen.
Er lebt heute in Minneapolis, Minnesota.
Eine kurze Geschichte von sieben Morden von Marlon James ist bei Heyne erschienen.
(JK 06/17)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen