Emmanuelle Bayamack-Tam: Ich komme (Secession)

Frankreich – Ehrengast 2017 der Frankfurter Buchmesse

Dieses Buch liest sich wie eine zeitgenössische Komödie: Es ist zum Lachen, es geht an Grenzen, überschreitet sie und zeichnet dabei ein bitterböses Bild der Welt von heute. 

Emmanuelle Bayamack-Tam sucht sich Themen, die wehtun: Rassismus, der das Leben zur Hölle macht; das Alter, das in unserer Gesellschaft einem Schiffbruch gleicht; oder die Familie, die zum Hassobjekt wird. Ich komme ist ein Fetisch-Roman: Menschen sind besessen von Objekten, die sie ganz nach Stimmungslage kaufen, sammeln, benutzen und wieder verwerfen. Ein adoptiertes Kind kann man doch wohl zurückgeben, wenn es keinen Spaß mehr macht. Dieser Roman erinnert an Charles Dickens’ Bleak House, in dem er das dekadente Leben der Oberschicht schildert, deren selbstvergessene Existenzweise von nichts mehr geprägt ist als von materiellen Sorgen. Die Wohlhabenden reproduzieren ihren Wohlstand auf dem Rücken der Bedürftigen, Liebe wird nicht mehr geliebt, und die Kinder sind weniger kindisch als ihre Eltern. Diese Spielregeln erschaffen eine Welt, die nur noch als Missverständnis funktioniert. Kann es aktueller zugehen als in einer solchen Komödie?

Drei große Erzählungen bilden das innere Gerüst dieses unbehausten Zuhauses: Tochter, Mutter und Großmutter liefern uns drei Versionen der unbequemen Wirklichkeit: Nelly, die älteste, zieht ihr Resümee und findet nur Bedauern; Gladys, die Mutter, will sich für ihre Lebensunfähigkeit rechtfertigen, was in einen wutentbrannten rhetorischen Rachefeldzug mündet; und schließlich Charonne, erst von den Eltern, dann von den Adoptiveltern aufgegeben, ihrer Hautfarbe wegen als „schwarz“ wahrgenommen und zudem noch übergewichtig. Sie ist die einsamste unter den Ausgestoßenen, doch gerade sie strahlt eine unerschöpfliche Energie aus.

Emmanuelle Bayamack-Tam, geboren 1966 in Marseille, lebt in Paris und arbeitet als Lehrerin in Seine-St-Denis. Sie ist Mitbegründerin der Zeitschrift Autres & Pareils für zeitgenössische Kunst und Literatur und leitete die Éditions Contre-Pied seit ihrer Gründung mit Jean-Marie Gleize und Olivier Domerg. Seit 1996 erscheint ihr Werk bei P.O.L. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Ich komme ist ihr neunter Roman.

Ich komme von Emmanuelle Bayamack-Tam ist bei Secession erschienen. 
(JK 08/17)

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