Hotel Wedina
Sonntag 08.10.2017 17.00 Uhr
Gurlittstr. 23, Hamburg
Eintritt: 6 Euro
Literaten im Hotel: Der Schweizer Schriftsteller
Alain Claude Sulzer liest aus seinem Buch Die Jugend ist ein fremdes Land,
das bei Galiani erschienen ist.
„Dies ist weder ein Roman
noch eine Autobiografie. Das Buch hat weder Anfang noch Ende, denn an den
Anfang erinnere ich mich nicht, und das Ende ist mir nicht bekannt.“(Alain
Claude Sulzer)
„Kein Roman, keine
Autobiographie, aber hinreißende Erinnerungen an Buckeliturnen, schaumbedeckte
Tänzer und die Wirkung von Haferflocken auf den Sexualtrieb. Zum Glück wurde
Alain Claude Sulzer dann doch nicht Papst, sondern sogar Schriftsteller.
Fameux,“ schwärmte Harald Schmidt über das neue Buch von Alain Claude Sulzer. Ein renommierter Romanautor ist Alain Claude
Sulzer in seinem neuen Buch noch nicht. Hier wendet er sich seiner ganz
normalen Jugend in Riehen vor Basel in den 50er- und 60er-Jahren zu, die großen
Lesespaß bietet. Tatort: Riehen. Ein
Vorort von Basel nahe der deutschen Grenze. Eine Welt der zugezogenen Gardinen,
in der niemand geschieden ist und Frauen, die Auto fahren, eine anrüchige
Sensation. Hier wächst Alain Claude Sulzer auf, als einer von drei Söhnen einer
französischsprachigen Mutter, die kaum Deutsch kann (und es zeitlebens nie lernen
wird), und eines Vaters, dessen ganzer Stolz das formstrenge Avantgarde-Haus mit schwarz-weißer Modetapete ist, das es bis in eine angesehene
Architekturzeitschrift schafft. Dumm nur, dass das Flachdach nie richtig dicht ist
und die Rest-Familie dem Clou der Inneneinrichtung, den schwarz-weißen Tapeten
und schwarzen Spannteppichen, wenig abgewinnen kann.
Vieles
kommt einem irgendwie bekannt vor. Die Erzählungen schwanken zwischen
erwachsener und kindlicher Perspektive, der Sulzer detailverliebt und authentisch
gedenkt. Er beschreibt das Zusammenkommen seiner französischen Mutter mit
seinem Vater. In kurzen Erinnerungsblitzen erzählt Sulzer seine Jugend. Stichprobenartig
gewinnen wir ein Bild von Sulzers Leben in einem konservativen Vorort, warum er
den Bodensee dem Schwimmbad vorzieht oder wie Prinz Charles als
Erziehungsvorbild taugt. Seine so komischen wie unbarmherzig detailscharfen
Beobachtungen bilden zusammen ein Erinnerungsmosaik, das es in sich hat: Da ist
der Ballettunterricht, bei dem Alain einer der wenigen Jungen ist und aus dem
er entfernt wird, als das Gerücht aufkommt, der russische Choreograf habe ein
Auge auf ihn geworfen; oder Fräulein Zihlmann, die sich von Alains Vater gern
zur Arbeit in die Stadt mitnehmen lässt – und dafür von der Mutter mit stillem
Hass verfolgt und am Ende erfolgreich vertrieben wird; und schließlich die
Ausflüge in die verheißungsvoll-zwielichtige Welt des Theaters und die
gescheiterte Flucht nach Paris. Nicht zuletzt erfahren wir auch von Sulzers
anhaltender Liebe zu Büchern und wie der Teenager sich stereotypgetreu mit Gin
und Zigarette an sein Romandebüt wagt. Jahrzehnte später hat er den Traum von
literarischer Größe verwirklicht, wovon man sich im Hotel Wedina selbst
überzeugen kann.
Alain
Claude Sulzer, 1953 geboren, lebt als freier Schriftsteller in Basel, Berlin
und im Elsass. Seine Bücher sind in alle wichtigen Sprachen übersetzt. Für sein
Werk erhielt er zahlreiche Preise, u.a. den Prix Médicis étranger, den
Hermann-Hesse-Preis und den Kulturpreis der Stadt Basel.
Die Jugend ist ein fremdes Land von Alain Claude Sulzer ist bei Galiani erschienen.
(JK 10/17)
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