Frankreich – Ehrengast 2017 der
Frankfurter Buchmesse
Nach Herkunft, dem
Bericht eines Kindes, das sich angesichts von Krieg und Vernichtung und in der
Befragung von Glaube und Natur ganz einem Leben als Dichter verschreibt,
konzentriert sich In der Tiefe auf den engen Zeitraum von nicht mehr als
acht Sommerwochen im fünfzehnten Lebensjahr des Autors.
Pierre Guyotat gelingt in
diesem Text eine unerhörte Nähe zu den bis zum Bersten gespannten Nöten und
Intensitäten einer Adoleszenz und der noch im kleinsten Detail so unergründlich
wie offen daliegenden Welt. In unermüdlichem Ausforschen und Erleiden einer nur
im Übermaß präsenten Sinnesdichte und exzessiv vom Körper aus zur Sprache hin
gesteigerten Erfahrungen gelangt das jugendliche Ich zu seiner schreibenden
Verortung und Bestimmung. In einem ebenso poetischen wie rücksichtslos offenen
Bewusstseinsstrom kreist der Text dabei stets um jenen, zwischen offenem
Schöpfungsakt und klandestiner Sexualität aufklaffenden Riss, der dem späteren
Werk des Autors seine besondere Erfahrung und Prägung verleihen wird.
Pierre Guyotat gilt als
einer der bedeutendsten Avantgardisten und Erneuerer der französischen
Literatur. Seit früher Jugend schriftstellerisch tätig, veröffentlichte er 1961
seinen ersten Roman Sur un cheval. Im gleichen Jahr wurde er in den
Krieg nach Algerien einberufen, wo er 1962 wegen Aufrufs zur Desertion und der
Verbreitung verbotener Schriften in Haft kam. Mit seinen beiden Werken Grabmal
für fünfhunderttausend Soldaten und Eden Eden Eden, das eine scharfe
Kontroverse auslöste und jahrelanger Zensur anheim fiel, wurde er einem breiten
Publikum bekannt. Nachdem sein von radikalem Formwillen geprägtes Schreiben
durch eine mehrjährige psychiatrische Krise abrupt unterbrochen wurde, fand er
2006 mit dem diese Zeit verarbeitenden Werk Coma zurück in die
Öffentlichkeit. Seine zahlreichen seither erschienenen Werke zeugen von großem
Stilreichtum und unermüdlicher Arbeit an der Literatur.
In der Tiefe von Pierre Guyotat ist bei Diaphanes erschienen.
(JK 10/17)
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