Jakob Hein liest im Nochtspeicher am Dienstag, 6. März

Nochtspeicher
Dienstag, 06.03.2018  20.00 Uhr
Bernhard-Nocht-Str. 69a, Hamburg
Eintritt: 9 Euro

Edgar Stern und der preußische Dschihad: Jakob Hein stellt seinen Roman Die Orient-Mission des Leutnant Stern, der bei Galiani Berlin erschienen ist.

Er ist ein großer Fabulierer mit viel Sinn für die feinen Nuancen zwischen Wahrheit und Lüge und einem sicherem Gespür für exzentrische Pointen. Für seinen neuen Roman Die Orient-Mission des Leutnant Stern musste Jakob Hein jedoch gar nichts erfinden, sie ist wahr. Und klingt dennoch so verrückt, dass man sie kaum glauben kann: Sie erzählt von einer illusteren Truppe, die 1914 für Wilhelm den II. in den Dschihad zieht.

In späteren Jahren ist Edgar Stern Chefredakteur im Berliner Ullstein Verlag und der Nachrichtenagentur Wolffs Telegraphisches Büro, er hat einen Lehrauftrag an der Deutschen Hochschule für Politik, ist Mitbegründer und Präsident des Europäischen Zollvereins und Generalsekretär der Deutsch-Französischen Gesellschaft. Ein engagierter Europäer. 1933 emigriert er nach England, wird Mitarbeiter führender britischer Zeitungen und Zeitschriften und Korrespondent deutscher Zeitungen. Er stirbt 1972 in London. In Jakob Heins Roman begegnen wir ihm als jungen Mann. Stern ist gerade erst promoviert, er hat schon einige Jahre als Journalist und vor allem für den späteren Reichskanzler Gustav Stresemann gearbeitet. 1914 meldet er sich freiwillig und wird als Offizier im 1. Westfälischen Pionier-Bataillon am rechten Rheinufer stationiert. Doch in der zweiten Reihe der Front ist ihm langweilig, und er erarbeitet einen verrückten Plan gegen die Engländer, durch den er sich in Berlin für einen raffinierten Schachzug der Militärführung qualifiziert: Vor allem in den Kolonien soll die „mohammedanische Welt“ zum Dschihad gegen Briten und Franzosen aufgestachelt werden. Edgar Stern stellt in Berlin eine Truppe aus muslimischen Kriegsgefangenen zusammen, die in Konstantinopel feierlich freigelassen werden sollen – und schmuggelt sie in einer irrsinnigen Aktion, getarnt als Zirkus durch Österreich, Ungarn, Rumänien und Bulgarien. In Konstantinopel angekommen, werden sie als Helden gefeiert und der osmanische Sultan Muhammad V. erklärt Frankreich, Russland und Großbritannien den Krieg. Der Aufstand der Muslime gegen Deutschlands Kriegsgegner bleibt aber auch nach weiteren Aktionen aus. Edgar Stern sitzt am Bosporus fest und schreibt romantische Liebesbriefe an seine Verlobte Theodora.

Jakob Hein lädt mit Die Orient-Mission des Leutnant Stern zu einer schillernden Geschichtstunde über den preußischen Dschihad ein, die glänzend unterhält. Und erweitert in den letzten Episoden geschickt die Perspektive für einen Blick auf die Vorstellungen, die Parteinahmen und Vorurteile Deutschlands im Kaiserreich gegenüber der islamischen Welt insgesamt.

Jakob Hein, geboren 1971 in Leipzig, lebt seit 1972 mit seiner Familie in Berlin. Er arbeitet als Psychiater. Seit 1998 Mitglied der „Reformbühne Heim und Welt“. Er hat inzwischen 14 Bücher veröffentlicht.

Die Orient-Mission des Leutnant Stern von Jakob Hein ist bei Galiani Berlin erschienen.
(JK 03/18)

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