Literaturhaus
Donnerstag, 05.12.2019
19.30 Uhr
Schwanenwik
38, Hamburg
Eintritt: 8 / 12 Euro
Im Plauderton
durch die Weltliteratur: Denis Scheck
ist vor allem als launiger Literaturkritiker und Moderator der Sendung Druckfrisch
bekannt geworden, in der er, so geistvoll wie pointiert und unterhaltend,
Neuerscheinungen vorstellt, viele davon begeistert empfiehlt und einige davon
nicht nur verbal, sondern buchstäblich in die Tonne haut. Dieses Prinzip hat
der „Literatur-Bajazzo“ (SZ) für sein Buch Schecks Kanon, das bei Piper erschienen
ist, nun von der fröhlichen saisonalen Literatur-Auslese aufs Große und Ganze
übertragen und stellt Die 100 wichtigsten Werke der Weltliteratur vor.
Welche Bücher werden
eigentlich zu Klassikern und vor allem, wer macht sie dazu? „Klassiker sind die
Autoren, die die meisten Leute am längsten brauchen“, sagt dazu Martin Walser.
Und Dennis Scheck erklärt: „Der Trash vergangener Tage ist nicht selten der
Ort, wo man die Klassiker von heute entdeckt“. Für sein „Kanon-Spiel“ wird dann
aber doch ein individuelles Credo viel wichtiger: „Zur Weltliteratur zählt für
mich ein Werk dann, wenn es meinen Blick auf die Welt nachhaltig verändert.“ Es
ist eine Erfahrung, die alle Lesenden kennen und große Literatur verbindet. Bei
einem Blick ins Register von Schecks Kanon zeigt sich jedoch auch, was
diese individuelle Wahrnehmungsverkrümmung bedeutet: Da folgen Duck, Donald
nebst Duck, Daisy auf Droste-Hülshoff, Annette, der französische Comic Tim
und Struppi geht als „Sprachereignis“ in den Kanon ein, während ein
Klassiker wie Heinrich Heine lediglich Erwähnung findet. Schon bei einem kurzen
Vergleich mit dem Kanon ZEIT-Bibliothek der 100 Bücher, der 1980
erschien, fällt auf, wie groß die Unterschiede sind. Schecks Kanon ist
internationaler, welthaltiger, populärer, er schert sich weder um Genre- noch
um Ländergrenzen und ist trotzdem kein bisschen weniger gelehrt. Seine Auswahl
mag subjektiv sein und eine Anmaßung, aber das schadet ihr nicht, ganz im
Gegenteil. Dadurch gibt es vieles zu entdecken, zum Beispiel Das Tagebuch
eines Verrückten des chinesischen Schriftstellers Lu Xun oder Alles
zerfällt des Nigerianers Chinua Achebe, der die moderne afrikanische
Literatur begründete. Doch auch in der europäischen Literatur ist Denis Scheck
mit frischem Blick unterwegs: Von Gertrude Stein empfiehlt er nicht etwa die
berühmten Tender buttons (Zarte Knöpfe), sondern Steins Autobiographie
von Alice B. Toklas, bei der es sich eigentlich um eine Autobiographie
Steins aus der Sicht ihrer Lebensgefährtin handelt, die „zu einem großen Teil
aus Klatsch besteht“.
Denis Scheck, geboren
1964 in Stuttgart, lebt heute in Köln. Bereits im Alter von 13 Jahren gründete
er eine eigene literarische Agentur. Als literarischer Übersetzer und
Herausgeber engagierte er sich für Autoren wie Michael Chabon, William Gaddis
und David Foster Wallace, Antje Strubel und Judith Schalansky. Lange arbeitete
er als Literaturkritiker im Radio, heute ist er Moderator der Fernsehsendungen Lesenswert
im SWR und Druckfrisch in der ARD.
Schecks Kanon von Denis Scheck ist bei Piper erschienen.
(JK 12/19)
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