Ein Dorf in Nordschweden
1852. Jussi entflieht seinem Elternhaus, wo Gewalt, Hunger und Alkohol
regieren, und wird von dem protestantische Geistlichen Laestadius unter seine
Fittiche genommen. Der vielseitig gebildete Erweckungsprediger lehrt den völlig
vernachlässigten samischen Jungen nicht nur lesen und schreiben, er teilt mit
ihm auch seine Begeisterung für die heimische Flora und Fauna. Als ein Mädchen
tot im Wald gefunden wird – allem Anschein nach das Opfer eines Bären – geraten
die Dorfbewohner in Aufruhr. Angestachelt von der Belohnung, die der Gendarm
ausgelobt hat, locken sie das Tier in eine Falle und töten es. Nur Laestadius
und Jussi glauben nicht, dass der Bär der Schuldige ist, denn die
vermeintlichen Bärenspuren waren gefälscht. Als ein weiteres Mädchen
verschwindet, ahnen die beiden nicht, in welcher Gefahr sie selbst schweben:
Jemand sucht einen Sündenbock, und Laestadius hat sich mit seiner
aufklärerischen Arbeit viele Feinde gemacht.
Der Mordfall, den Niemi
inszeniert, bildet den Rahmen für ein schwedisches Sittengemälde zur Situation
der samischen Bevölkerung in Nordschweden in und um das Jahr 1850. Niemi hat
über die Zeit ausgiebig recherchiert. Er zeichnet sehr eindrucksvoll das Leben
in einem abgeschiedenen Dorf, das von den Jahreszeiten und der Einbettung in
die umgebende Natur geprägt ist. Der starke Einfluss der Religion auf das
Alltagsleben und die Beziehungen untereinander werden überdeutlich. Als
spannenden Kontrast arbeitet Niemi diese heimlich schlummernde Kraft heraus,
welche die Bewohner antreibt, aus diesem Zwangskorsett auszubrechen und dem
Einfluss der Kirche zu widerstehen. Die Figuren, die Niemi zeichnet, sind lebendig
und wirken glaubhaft, die Handlung ist atmosphärisch dicht und beeindruckend.
Mikael Niemi, Jahrgang
1959, ist der erfolgreiche Autor zweier Gedichtsammlungen und einer Reihe von
Kinder- und Jugendbüchern. Populärmusik aus Vittula war sein erster
Roman, der in Schweden zu einem Triumphzug sondergleichen für ihn wurde:
500.000 verkaufte Exemplare, ausgezeichnet mit dem Augustpreis, dem wichtigsten
Literaturpreis des Landes, seit Erscheinen auf Platz 1 der Bestsellerliste,
jubelnde Kritiker, begeisterte Leser — offensichtlich traf Niemi den Nerv des
Publikums mit seinem ungewöhnlich berührenden, aber auch überaus komischen
Buch.
(JK 05/20)
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