Elif Shafak: Der Bonbonpalast (Eichborn)

Eine Liebeserklärung an Istanbul ist der Roman Der Bonbonpalast der türkischen Autorin Elif Shafak, der bei Eichborn erschienen ist.

Ein Haus als Metapher für eine ganze Stadt: Der Bonbonpalast verwebt kunstvoll die Geschichten der zahlreichen Hausbewohner mit der Geschichte und Gegenwart Istanbuls, einer Stadt zwischen Mystik, Religion und der Kraft der Moderne.

Ein ehemals prachtvolles Haus im Zentrum von Istanbul, gebaut von einem russischen Adeligen für seine Frau, ist der Schauplatz dieses Romans. Inzwischen ist der Bonbonpalast allerdings ziemlich verwittert — und Heimstatt nicht nur für eine, sondern gleich für zehn sehr unterschiedliche Familien. In der Erzählung ihrer Schicksale, Tragödien und Komödien folgt Der Bonbonpalast der Struktur von Tausendundeiner Nacht. In loser Folge und doch aufeinander bezogen werden die Schicksale und Erlebnisse eines zutiefst frommen Mannes, zweier ungleicher Zwillinge, die einen Friseursalon betreiben, eines namenlosen Ich-Erzählers, einer rätselhaften alten Frau, einer charmanten Schönheit und eines Marihuana rauchenden Studenten mit Hund erzählt — und damit die des Gebäudes und der Stadt. Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft, alles fließt in diesem Roman zusammen, der vor Geschichten nur so sprudelt, Geschichten, die so unglaublich sind und so real wie der Geruch des Hauses, dessen Quelle ganz am Ende an unerwarteter Stelle gefunden wird.

Elif Shafak zählt zu den führenden Schriftstellern der Türkei. Multikulturalismus ist ein Leitmotiv in den Werken der 1971 in Straßburg geborenen Autorin, die bislang in Spanien, Jordanien, in Deutschland und den USA gelebt hat. Shafak hat in der Türkei Politikwissenschaft studiert und über das Thema „Staat, Weltlichkeit und die Maskulinitäten der Türkischen Modernisierung: Männliche Geschlechterrollen im Islamistischen/Säkularistischem Machtgefüge“ promoviert. Sie hat an türkischen und amerikanischen Hochschulen unterrichtet. Momentan ist sie Assistenzprofessorin an der Universität Arizona im Institut für Nahoststudien und pendelt zwischen Istanbul und Arizona.

Shafak hat bereits zahlreiche Bücher veröffentlicht. Ihr Roman Mahrem wurde vom Verband türkischer Schriftsteller 2000 zum besten Roman des Jahres gekürt. Darüber hinaus ist Elif Shafak Kolumnistin zweier großer türkischer Tageszeitungen und schreibt für diverse europäische und amerikanische Zeitungen, darunter die Berliner Zeitung, die Washington Post und das Wall Street Journal. Ihr Roman Der Bastard von Istanbul wurde von nationalistischen Gruppierungen auf das Schärfste kritisiert und es kam, wie schon gegen den Schriftsteller Orhan Pamuk und andere, zur Anklage. Im September 2006 musste sich Shafak vor Gericht verantworten, wo man ihr unter Berufung auf Artikel 301 des türkischen Strafgesetzes die „öffentliche Verunglimpfung der Republik und der Großen Türkischen Nationalversammlung“ vorwarf. Neu an in diesem Fall ist, dass sich die Anklage nicht auf Äußerungen der Autorin in Interviews oder Zeitungsartikeln stützte, sondern auf Äußerungen ihrer Romanfiguren. Am 21. September 2006 wurde Elif Shafak von einem Istanbuler Gericht freigesprochen. So entging sie einer möglichen Haftstrafe von drei Jahren.

Der Bonbonpalast von Elif Shafak ist bei Eichborn erschienen.
(JK 11/10/08)

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