Der Amerikaner Alan Drew erlebt 1999 das Erdbeben in Istanbul hautnah mit. Er arbeitet drei Jahre als Englischlehrer am Bosporus. Seine Erinnerungen, Erfahrungen und Eindrücke aus dieser Zeit fließen in seinen Debütroman Die Wasser des Bosporus, der bei Droemer erschienen ist.
Sinan, Anfang 40, ist ein traditioneller Kurde – ein einfacher, aufrechter Mann, der kurz vor der Jahrtausendwende mit seiner Frau, der 15-jährigen Tochter Irem und dem zehnjährigen Sohn Ismail in Istanbul lebt. Sinan ist alles andere als glücklich darüber. Die Familie musste ihr Dorf verlassen, weil sie in der Heimat politisch verfolgt wurde. Er ist ein Mann mit Herzensbildung, er weiß noch, was man tut und was man nicht tut. Die moderne Art zu leben verletzt seine Gefühle. Alles, was er ablehnt, gilt hier als normal. Sinan lebt jenseits der westlichen Haltung des Everything goes, wo jeder gierig nach Besitz und Position drängt, wo die Welt durch Korruption und allgegenwärtigen Sex entzaubert ist. Und diese Welt scheint stärker zu sein als er.
Sinans Geschäfte gehen schlecht, und allmählich hat sich das Gefühl in ihm eingenistet, ein Versager zu sein, der die Familie nicht allein ernähren kann. Dabei möchte Sinan so gerne ein guter Familienvater und aufrechter Muslime sein, der seinen Kindern Halt und Richtung gibt. Genau die scheinen ihm aber zu entgleiten. Vor allem Irem, die viel zu häufig widerspricht, ihrer Mutter nicht richtig hilft, sich nicht wie ein frommes Mädchen verhält und westliches Fernsehen liebt.
Dann liegt plötzlich seine Existenz in Schutt und Asche. Bei dem Erdbeben, das über ihn hereinbricht, verliert Sinan alles. Erst nach Tagen wird sein Sohn lebend aus den Trümmern geborgen. Auf einen Moment hellen Glücks folgen für Sinan neue bange Fragen: Wo und wovon soll seine Familie leben? Wer wird ihm Arbeit geben? Schmerzlich stellt er fest, dass er völlig auf Fremde angewiesen ist. Als sich seine 15-jährige Tochter in einen jungen Amerikaner verliebt, sieht sich Sinan als guter Familienvater und aufrechter Muslim endgültig in Frage gestellt. Alles, was ihm wichtig ist, scheint von dem Erdbeben verschluckt. Mehr als je zuvor sind Herkunft und Tradition sein einziger Halt - doch das stürzt ihn in eine Katastrophe, die ihn viel mehr kostet als die Ehre.
Alan Drew, in Kalifornien geboren, hat ausgedehnte Reisen durch Europa, Asien und den Mittleren Osten unternommen. In Istanbul, wo er genau 4 Tage vor dem großen Erdbeben 1999 ankam, hat er drei Jahre lang als Englischlehrer gearbeitet. Alan Drew ist verheiratet und lebt mit seiner Familie in Cincinnati.
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