
Ein Techniker, der auf seinem Handy von einem auf den anderen Tag ständig Nachrichten für einen anderen empfängt, um bald ganz in die neue Rolle zu schlüpfen. Ein Schriftsteller, der an sich selbst und an der Welt leidet, von Kulturinstitut zu Kulturinstitut tingelt, seine Paranoia und Phobien pflegt und sich seiner Freundin, einer Ärztin, erwehren muss, die Angst hat, zum Gegenstand einer seiner Geschichten zu werden. Eine alte Dame mit Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium, die mit einem Glas Natrium-Pentobarbital in einer Sterbewohnung in Zürich ihrem Leben ein Ende bereiten will – und dann ihren Schöpfer, den Autor, bittet, ihrem Schicksal, also seiner Geschichte, eine neue Wendung zu geben. Oder jener Schauspieler, der sich langsam, aber sicher unwirklich wird und irgendwann für eine Handvoll Euros auf der Bühne einer billigen Vorstadtdisco steht, als Double seiner selbst …
Menschen, denen ihr eigenes Leben fremd wird, Menschen, die aus ihrem Leben einfach verschwinden. Verhältnisse, die auf so komplizierte Art unübersichtlich werden, dass die sorgsam auf- und ausgebaute bürgerliche Existenz wie ein Kartenhaus zusammenbricht. Literarische Figuren, die mit ihrem Schöpfer über ihre Zukunft streiten. Am Ende läuft alles auf die eine entscheidende Frage hinaus: Was heißt schon wirklich?
Es sind solche Geschichten, die Daniel Kehlmann in seinem neuen Werk Ruhm – ein Roman in neun Geschichten, erschienen bei Rowohlt, virtuos verknüpft. Seine große Kunst besteht darin, neun Episoden, die alle für sich stehen und gelesen werden könnten, so raffiniert ineinander zu schlingen und zu verschachteln, dass Ruhm sich wie ein einziger vielschichtiger, komplexer Roman liest.
Daniel Kehlmann, wurde 1975 als Sohn des Regisseurs Michael Kehlmann und der Schauspielerin Dagmar Mettler in München geboren. 1981 kam er mit seiner Familie nach Wien, wo er das Kollegium Kalksburg, eine Jesuitenschule, besuchte und danach an der Universität Wien Philosophie und Germanistik studierte. 1997 erschien sein erster Roman Beerholms Vorstellung. Er hatte Poetikdozenturen in Mainz, Wiesbaden und Göttingen inne und wurde mit zahlreichen Preisen, darunter dem Candide-Preis, dem Preis der Konrad-Adenauer-Stiftung, dem Doderer-Preis, dem Kleist-Preis 2006, dem WELT-Literaturpreis 2007 sowie zuletzt mit dem Thomas-Mann-Preis ausgezeichnet. Kehlmanns Rezensionen und Essays erschienen in zahlreichen Magazinen und Zeitungen. Sein Roman Die Vermessung der Welt, in bisher vierzig Sprachen übersetzt, wurde zu einem der erfolgreichsten deutschen Romane der Nachkriegszeit. Daniel Kehlmann lebt als freier Schriftsteller in Wien und Berlin.
(JK 03/09)
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