Literaturhaus
Donnerstag, 23.4.2009 20.00 Uhr
Schwanenwik 38, 22087 Hamburg
Eintritt: 4 – 8 Euro
Sibylle Lewitscharoff liest aus ihrem neuen Roman Apostoloff, der bei Suhrkamp erschienen ist, Andreas Isenschmid moderiert.
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Von einer recht ungewöhnlichen Reise durch Bulgarien erzählt Sibylle Lewitscharoff in ihrem neuen Roman Apostoloff. Zwei Schwestern aus Stuttgart werden von Rumen Apostoloff, dem bulgarischen Fahrer, in einem Daihatsu durch das Heimatland ihres toten Vaters chauffiert. Das Geschwisterpaar könnte unterschiedlicher kaum sein: die eine sitzt auf dem Rücksitz, eine Position, die ihr sehr behagt, da sie, wie sie selbst sagt, ihr „Gift lieber von hinten einstreut”. Und davon hat sie genug. Mit garstigen Kommentaren und scharfzüngigen Monologen, in denen sie Land und Leute verhöhnt, traktiert sie ihre beiden Mitreisenden. Die namenlose Ich-Erzählerin des Romans wird nicht müde, mit wunderbar schwarzem Humor die negativen Seiten Bulgariens hervorzuheben: „Das aschgraue Meer – leergefischt. Das bulgarische Essen? Ein in schlechtem Öl ersoffener Matsch. Der Fisch ein verkokelter Witzfisch. Bulgarische Kunst im zwanzigsten Jahrhundert? Abscheulich, und zwar ohne jede Ausnahme.” Die zwei Jahre ältere Schwester sitzt auf dem Beifahrersitz, ist sanft, geduldig, gefasst und erträgt die Meckertiraden der jüngeren mit einer unerschütterlichen Engelsgeduld. In die giftigen Beobachtungen mischen sich Kindheitserinnerungen an Stuttgart, vorrangig an den an Depressionen erkrankten Vater, der sich das Leben nahm, als die Schwestern noch im Kindesalter waren, an die strenge Mutter und den Kreis der Exil-Bulgaren mit ihren deutschen Ehefrauen. Der Ursprung der Reise war eine Einladung des Millionärs Tabakoff, der auf die Idee gekommen ist, seine einstigen Kumpanen in einem Leichen-Limousinen-Konvoi nach Bulgarien zu überführen. Ob dem Vater der Schwestern hiermit endlich die letzte Ruhe zuteil wird, ist fraglich, wenn die Erzählerin am Ende der Reise resümiert: „Nicht die Liebe vermag die Toten in Schach zu halten, denke ich, nur ein gutmütig gepflegter Hass.”
Sibylle Lewitscharoff, die – das hat sie mit der Ich-Erzählerin gemein – in Stuttgart aufgewachsene Tochter einer Schwäbin und eines Bulgaren, hat soeben für ihren Roman Apostoloff den Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen und wurde 2007 mit dem Preis der Literaturhäuser ausgezeichnet.
(JK 04/09)
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