In dem Buch
Scheißrentiere des Norwegers Magne Hovden, erschienen bei Malik, werden unsere
Macken als Touristen und unsere Schwäche für ethnische Minderheiten satirisch
frech aufs Korn genommen.
Leif und Roy, zwei Postler aus Kirkenes, träumen
davon, das schnelle Geld zu machen. Da hat Leif eine geniale Idee: „Samenland“,
eine Art Disneyland auf Norwegisch, wo Touristen das ursprüngliche Leben der
Samen, der Ureinwohner Lapplands, kennenlernen können. Es ist ein Erlebniscamp,
in dem gestresste Urlauber wie Samen leben und im Kontakt mit der Natur wieder
zu sich finden können. Mit inbegriffen: das „Joiken“ typischer Samengesänge,
Rentierjagd mit dem Lasso und der Genuss von „Geisterbräu“, Wodka mit
Wacholderbeeren. Braucht ja niemand zu merken, dass Leif und Roy in
Wirklichkeit wenig Ahnung von den Traditionen der Samen haben. Anfangs scheint
in Samenland alles gut zu gehen – die Leihzelte stehen, die ersten japanischen
Touristen sind begeistert, samische Fellmützen finden reißenden Absatz. Doch
dann fängt ein politisch korrektes Paar aus Frankreich an, lästige Fragen zu
stellen.
Es gibt in der Belletristik das Genre des
Frauenromans. Für das Buch Scheißrentiere
müsste nun das Genre Männerroman
kreiert werden. Auf wunderbar leichte Art wird hier eine Geschichte erzählt,
die auf herrliche Weise das Innenleben des Mannes offenbart und zeigt, was
Langeweile im Manne auslösen kann. Mit viel Augenzwinkern wird hier die
Sehnsucht des Mannes nach Abenteuer, nach Ausbruch aus dem Alltag aufgegriffen.
Es hätte ein schlimmer klamaukartiger Roman werden können. Gott sei Dank ist
das nicht der Fall. Es macht Spaß, den Absurditäten zu folgen, den Sarkasmus
beim grandiosen Scheitern zu inhalieren. Dabei hat man jederzeit das Gefühl,
dass der Roman sehr authentisch ist. Außerdem wird man auch noch einiges gewahr
über die Ureinwohner im Norden Europas, erfährt etwas über ihre eigentümlichen
Bräuche und Sitten.
Magne Hovden, 1974 in Ålesund geboren, arbeitet als
Schriftsteller, Cartoonist, Übersetzer, Literaturagent, Transportunternehmer
und Goldgräber. Er hat in Norwegen mehrere Bücher veröffentlicht; Scheißrentiere ist das erste, das auf
Deutsch erscheint. Wie seine beiden Romanhelden lebt der Autor in Kirkenes,
früher der letzte Außenposten der westlichen Welt nördlich des Polarkreises.
Scheißrentiere
von Magne Hovden ist bei Malik erschienen.
(JK 06/11)
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