Eine eindrucksvolle Schilderung des schrecklichen
Moments als in Haiti die Erde bebte und danach nichts mehr so war wie vorher,
gibt es von der haitianischen Schriftstellerin Yanick Lahens in ihrem beim
Rotpunktverlag erschienenen Buch Und
plötzlich tut sich der Boden auf: Ein Trauergesang auf die verlorene Stadt
und eine Reflektion des Nord-Süd-Konflikts.
Es war einmal eine Stadt, die hieß Port-au-Prince. Am
12. Januar 2010 um 16.53 bebt in Haiti die Erde. Nach weniger als einer Minute
ist nichts mehr, wie es war. Ein Weltuntergang, den Yanick Lahens hier in
Worten festhält. Sie erzählt, wie sie das Beben erlebt hat, wie sich plötzlich
der Boden unter den Füßen auflöste, wie sie aus dem Haus ins Freie lief,
gemeinsam mit den Nachbarn Zuflucht suchte. Sie berichtet von der ersten Fahrt
ins Zentrum von Port-au-Prince, wo es ganz still ist. Wo die Toten auf der
Straße liegen, wo Menschen sich suchen, sich wiederfinden, wo Verschüttete um
Hilfe rufen. Haiti, warum trifft es schon wieder Haiti?
Yanick Lahens Buch liest sich bisweilen wie der
blanke Horror. Umso wichtiger dass sich der Rotpunktverlag der deutschen
Übersetzung angenommen hat. Yanick Lahens ist eine typische Repräsentantin der
karibischen kreolischen Literatur. In poetisch dichter Form trägt sie vor, was
sie bewegt. Dieser Stil ist für westlich geprägte Leser nicht ganz einfach,
wird aber umso kraftvoller je mehr man sich an diesen Stil gewöhnt. Es ist die
künstlerische Auseinandersetzung mit der schrecklichen Naturkatastrophe, damit
auch in literarischer Form die Stimme Haitis nicht verstummt. Sie schaut nicht
nur kritisch auf die Verhältnisse Haitis, die es fast unmöglich machen, mit
dieser Katastrophe umzugehen, sondern auch auf die internationale Hilfe. Wie
diese Hilfe zwar ins Land kommt, aber nicht unbedingt im Interesse der
Haitianer eingesetzt wird. Es ist ein aufrüttelndes Buch, das Yanick Lahens aus
Haiti in die Welt sendet. Es ist ihr zu wünschen, dass es die verdiente Beachtung
findet.
Yanick Lahens, geboren 1953 in Port-au-Prince, der
Hauptstadt Haitis, studierte Literaturwissenschaft an der Sorbonne in Paris.
Nachdem sie viele Jahre als Dozentin für Literatur an der École Normale
Supérieure in Port-au-Prince sowie als Publizistin für Radio und Printmedien
tätig war, engagiert sie sich heute neben dem Schreiben vorwiegend in Projekten
der Jugendarbeit. Seit 1994 Publikation von Erzählungen, Romanen und Essays;
2002 Förderpreis der Initiative Literaturpreis. 2004 ist ihr erster Roman Tanz der Ahnen in deutscher Übersetzung
erschienen.
Und plötzlich tut sich der Boden auf von Yanick Lahens ist beim Rotpunktverlag erschienen.
(JK 06/11)
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