Das neue Buch Herr
der Krähen des kenianischen Autors Ngugi wa Thiong’o, erschienen im A1
Verlag, nimmt die sozialen, politischen und kulturellen Verhältnisse Afrikas
zum Gegenstand, um die Auswirkungen der Globalisierung auf die
Lebensverhältnisse der Menschen in Afrika auf satirische Weise anzuprangern.
Ausgangspunkt dieses geistreichen satirischen Romans
ist das gigantische Bauvorhaben „Marching to Heaven“, ein moderner Turmbau zu
Babel, das dem despotischen Herrscher der fiktiven Freien Republik Aburiria
Weltgeltung verschaffen und ein monumentales Denkmal setzen soll. Der Herrscher
ist umgeben von persönlichen Beratern, allen voran den Ministern Machokali und
Sikiokuu, die ständig darum bemüht sind, dem gottgleichen Herrscher ihre
Ergebenheit zu beweisen und sich eine vorteilhafte Position zu sichern. Das
Bauprojekt „Marching to Heaven“ jedoch kann nur mit einem Kredit der Global
Bank in New York realisiert werden.
Als Titus Tajirika zum ersten Vorsitzenden des
Baukomitees für „Marching to Heaven“ ernannt wird, bilden sich vor dessen Büro
zwei endlose Warteschlangen – eine aus denjenigen, die auch ein Stück vom
Kuchen abbekommen wollen (indem sie Umschläge voller Bargeld zurücklassen), und
eine, die sich aus den zahllosen Arbeitslosen des Landes speist. Diese
Menschenschlangen entwickeln sich bald zu einer landesweiten Epidemie.
Während der Herrscher und sein Außenminister
Machokali in die USA reisen, um positiv auf die Vertreter der Global Bank
einzuwirken, gerät Tajirika ins Blickfeld von Staatsminister Sikiokuu. Die
Delegation in New York hingegen sieht sich einer plötzlich auftretenden,
rätselhaften Krankheit des Herrschers gegenüber. Hoffnung verspricht allein der
unfreiwillig zu Ruhm und Ansehen aufgestiegene Herr der Krähen – ein Zauberer,
Heiler und Wahrsager...
Ngugi wa Thiong'o wird von der Literaturkritik als
möglicher Literaturnobelpreisträger gehandelt und in seiner Bedeutung auf einer
gleichen Stufe wie Gabriel Garcia Marquez oder David Foster Wallace gesehen. In
der Tat bietet der kenianische Autor außergewöhnliche Literatur. Seit vielen
Jahren schreibt er in seiner Muttersprache Kikuyu und übersetzt seine Werke
dann ins Englische, so auch mit seinem vorliegenden Roman, der sich über mehr
als stolze 1000 Seiten erstreckt. Doch davon darf man sich bloß nicht
abschrecken lassen, auch nicht von dem anfangs ungewohnten Erzählrhythmus, der
sich an der afrikanischen Erzähltradition orientiert. Ngugi wa Thiong'o schafft
es, den europäischen Leser schon nach wenigen Seiten in seinen Bann zu ziehen.
Der Sinn für Humor macht dieses Buch und seinen Autor sympathisch und trägt das
Buch. Trotz aller bitteren persönlichen Erfahrungen verfällt der Autor nicht in
eine beißende Nabelschau, sondern verleiht dem Buch mit seiner unglaublichen
Heiterkeit eine wunderbare Leichtigkeit.
Ngugi wa Thiong'o, 1938 als Sohn einer Bauernfamilie
in Kamirithu/Limuru in Kenia geboren, studierte am Makerere University College
in Kampala, Uganda, und an der University of Leeds, Großbritannien. 1967 wurde
er Dozent für Literatur an der University of Nairobi, wo er bis 1977 lehrte.
Wegen seiner kritischen Auseinandersetzung mit dem postkolonialen Kenia und
eines regierungskritischen, in Kikuyu verfassten Theaterstücks wurde er 1977
ohne Anklage inhaftiert und erst nach einer Kampagne von Amnesty International
ein Jahr später aus dem Gefängnis entlassen. Nachdem sein Leben unter dem
Regime von Daniel arap Moi unmittelbar bedroht wurde, ging er 1982 ins Exil
nach London. 1989 übersiedelte er in die USA, wo er heute an der University of
California in Irvine Englische und Vergleichende Literaturwissenschaften lehrt.
Herr der Krähen von Ngugi
wa Thiong’o ist im A1 Verlag erschienen.
(JK 11/11)
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