Sergio Álvarez: 35 Tote (Suhrkamp)


Die Literaturkritik bejubelt den kolumbianischen Autor Sergio Álvarez bereits als den neuen Gabriel Garcia Márquez. Mit seinem dritten Buch 35 Tote, erschienen bei Suhrkamp, beweist Sergio Álvarez, dass die Literaturkritik rechthaben könnte.

„Ich wuchs in einer marxistischen Kommune in Bogotá auf. Doch die Träume von der Revolution platzten, nicht zuletzt wegen amouröser Verstrickungen. Das Leben draußen auf der Straße lockte mit Salsa, Mädchen und kleineren Überfällen. Irgendwann wagten wir uns an größere Geschäfte. Aber die Drogenmafia kennt keine Gnade, und als immer mehr meiner Freunde getötet wurden oder verschwanden, musste auch ich fliehen. Damit begann meine Wanderschaft durch Kolumbien, auf der ich philosophierenden Drogenhändlern, geschäftstüchtigen Marionettenspielern und freundlichen Mördern begegnet bin. Genauso wenig wie ich die Frauen verstehe, die mir immer nur Unglück bringen, begreife ich, wie dieses Land funktioniert, wer auf welcher Seite steht und wo mein Platz ist.“

Sergio Álvarez beschreibt 45 Jahre kolumbianische Wirklichkeit, die mit der Geburt des Ich-Erzählers beginnt. Es sind 45 Jahre voller gesellschaftlicher Zerrüttung und Gewalt, die bis in die privatesten Sphären der Menschen eindringt. Der Ich-Erzähler hat keinen Namen und der Autor sagte, dass er dies bewusst so gewählt hat, da der Erzähler das Schicksal aller Kolumbianer in dieser Zeit verkörpert. Er hält dem Land einen Spiegel vor und wünscht sich nichts mehr, als dass man die Chance ergreift, aus dieser Spirale herauszukommen. Álvarez selbst sagt, dass sein Roman so etwas wie die Fortsetzung des Klassikers Hundert Jahre Einsamkeit des kolumbianischen Literaturnobelpreisträgers Gabriel Garcia Márquez ist, sozusagen die Transformation ins 21. Jahrhundert. Tatsächlich kommt bei Sergio Álvarez der magische Realismus von Garcia Márquez nicht mehr vor. Er setzt ihm eine neue Form entgegen. Was bleibt ist jedoch diese wunderbare Mischung von drastischem Realismus, die mit einem Augenzwinkern mit verhaltenem Humor geschildert wird. 35 Tote ist ein beeindruckendes und fesselndes Werk. Die nächsten Bücher von Sergio Álvarez werden zeigen, ob er Gabriel Garcia Márquez beerben wird.

Sergio Álvarez, geboren 1965 in Bogotá, Kolumbien, lebt heute in Barcelona. Er hat in der Werbe-, Fernseh- und Kinobranche gearbeitet, bevor er sich dem Schreiben zuwandte. Für die Recherche zu diesem Roman ist er viele Jahre durch sein Heimatland gereist. 35 Tote ist sein dritter Roman; er wird in zahlreiche Sprachen übersetzt.

35 Tote von Sergio Álvarez ist bei Suhrkamp erschienen.
(JK 10/11)

Keine Kommentare: