Der schwedische Autor Gunnar
Ardelius hat mit Die Liebe zur Freiheit
hat uns hierhin geführt, erschienen bei Blessing, einen aufrüttelnden Roman
über Rassismus, Kolonialismus und kulturelle Identität geschrieben.
Eine schwedische Familie
kommt 1969 in die liberianische Minenstadt Yekepa, nachdem der Vater, Hektor,
dort eine Stelle als Personalchef bei der schwedischen Minenfirma LAMCO
angenommen hat. Was für die Familie Abwechslung und Abenteuer werden soll,
gerät zum Albtraum: Seine Frau empfindet die neue Umgebung zunehmend als beängstigend,
leidet unter dem Klima und vermisst ihren Liebhaber in Stockholm. Hektor wird
schnell bewusst, dass der ihm durch den Umzug nach Afrika zugesagte
Karrieresprung ausbleiben wird, er ist alarmiert vom Umgang seines Unternehmens
mit den Einheimischen und befürchtet anhaltende Streiks. Sein siebzehnjähriger
Sohn Mårten hingegen freundet sich mit dem afrikanischen Gärtner der Familie
an. Nach und nach kommt Mårten dadurch mit der afrikanischen
Unabhängigkeitsbewegung in Kontakt und gerät schließlich zwischen die Fronten.
Dabei bringt er nicht nur sich selbst, sondern auch seine Familie und seinen
afrikanischen Freund in Gefahr.
Gunnar Ardelius
richtet einen kritischen Blick auf
anhaltende koloniale Muster
in der westlichen Entwicklungshilfe, insbesondere wenn sie direkte Hilfe oder
Unternehmensgründungen betrifft. Ardelius hat ein
wichtiges und zum Nachdenken anregendes Buch über ein vergessenes und nicht so schönes Kapitel
in der Geschichte westlicher Staaten geschrieben. Der Kolonialismus ist näher
und sitzt viel tiefer als man denkt. Ardelius fängt gekonnt Zeit, Umgebung und Stimmungen
ein. Der Leser reibt sich an der schwedischen Familie. Alle scheinen an einer schweren
Form von Narzissmus und
Entfremdung zu leiden. Diese
Entfremdung bezieht sich jedoch weniger auf die
Konfrontation mit der afrikanischen Wirklichkeit
sondern ist eher eine Art zeitloses
psychologisches Fundament. In der Familie gibt es wenig Liebe und wenig Kommunikation
untereinander. Manchmal wirkt sie sogar wie aus einem abstrakten existentialistischen Lehrstück entsprungen und
nicht als Menschen aus Fleisch
und Blut. Das reduziert manchmal die
politischen und ethischen Fragen und die
historische Realität auf das innere psychische
Drama der Protagonisten. Die große Stärke des Buches liegt im Porträt
des Streiks, der Inhaftierung des Sohnes und des afrikanischen Jungen, wo die innere und
äußere Realität der Figuren miteinander kollidiert. Gunnar Ardelius ist ein beklemmender und atmosphärisch
dichter Roman gelungen.
Gunnar Ardelius, geboren
1981, studierte Literatur und Publikationswissenschaften. 2006 erschien sein
Debüt, ein Jugendbuch, für das Ardelius mit dem Slangbellan, dem wichtigsten
schwedischen Debütantenpreis ausgezeichnet, und für den August-Preis, den
renommiertesten schwedischen Literaturpreis, nominiert wurde. Die Liebe zur
Freiheit hat uns hierher geführt ist Ardelius' erstes Buch für Erwachsene
und wurde für den Tidningen Vi:s litteraturpris nominiert. Seit 2012 ist Gunnar
Ardelius Vorsitzender des schwedischen Schriftstellerverbandes. Er lebt in der
Nähe von Stockholm.
Die Liebe zur Freiheit hat uns hierhin geführt von Gunnar Ardelius ist bei Blessing erschienen.
(JK 05/15)
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