Der Roman Wir brauchen
neue Namen der aus Zimbabwe stammenden Autorin NoViolet Bulawayo beschwört
die Abenteuer eines Mädchens an einem unwirtlichen Ort Afrikas. NoViolet
Bulawayo verleiht ihrer Heldin dabei eine einzigartige Stimme, die trotz allem
beharrlich Lust am Leben versprüht. Und am Ende steht eine Geschichte, deren
Reizen man sich nicht entziehen kann – saftig und bittersüß, genau wie Darlings
geliebte Guaven.
Die zehnjährige Darling
lebt im Chaos einer Blechhüttensiedlung. Paradise heißt ihr Zuhause, und fast
alles fehlt: der Vater, die Schule, der Fernseher oder auch nur genug zu essen.
Doch hier lassen einen die Erwachsenen in Ruhe, die Entwicklungshelfer
verschenken Spielzeug und in ganz Afrika kann man nirgendwo besser Guaven
klauen. Für alle anderen ist Paradise ein Scherbenhaufen aus zerbrochenen
Träumen, für Darling der einzige Ort, der ihr ans Herz gewachsen ist. Gerade
als Darling anfängt zu verstehen, wird sie von ihrer Tante in den USA
fortgerissen. Üppiges Essen, der Fernseher, die Schule – das alles ist bald
selbstverständlich, nur steht sie im neuen Paradies bald vor ihrer größten
Aufgabe…
In NoViolet Bulawayos
Roman kommen im Grunde alle Verirrungen und Plagen des afrikanischen Kontinents
zusammen. Es gibt betrügerische Prediger, hoffnungslose Slums, Aids (ihr Vater
ist daran erkrankt), politische Gewalt (Pro-Mugabe Partisanen vertreiben weiße
Siedler und skandieren „Afrika den Afrikanern!“), Missbrauch und Vergewaltigung
in der eigenen Familie und Straßenkinder, aus deren Reihen die Hauptfigur
Darling nach Amerika geholt wird und selbst ein kurzes Kapitel beschreibt den
wachsenden chinesischen Einfluss. Und das ist alles in den ersten hundert
Seiten des Romans verpackt, bevor die Handlung nach Amerika wechselt. Einen
solchen Parforceritt durch die afrikanische Gegenwart kann sich die Autorin
leisten, indem sie eine frei schwebende, episodische Handlungsstruktur
anwendet. Was das Buch vor dem Kollaps unter dem eigenen thematischen Gewicht
rettet, ist der sprachliche Schwung der Autorin, und das Gefühl, dass man hier
eine talentierte und ehrgeizige Autorin vor sich hat, die jeden Augenblick den
Leser durch eine Wendung in der Handlung überraschen kann mit einer Geschichte,
die nicht beim Lamentieren bleibt sondern etwas bewirken möchte.
NoViolet Bulawayo,
geboren 1981 in Simbabwe, zog im Alter von achtzehn Jahren in die Vereinigten
Staaten. 2011 gewann sie den Caine Prize for African Writing.
Wir brauchen neue Namen von NoViolet
Bulawayo ist bei Suhrkamp erschienen.
(JK 12/14)
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