Nochtspeicher
Dienstag, 24.05.2016 20.00 Uhr
Bernhard-Nocht-Straße 69a, Hamburg
Eintritt: 9 Euro
YACHTCLUB: Jakob Hein stellt seine Roman Kaltes Wasser vor, der bei Galiani
erschienen ist. Friederike Moldenhauer
und Tina Uebel moderieren.
Als
hätten sich Felix Krull und Zelig zusammengetan, um Berlin aufzumischen.
Friedrich
Benders Elternhaus ist nicht eben das spannendste. Und eine Jugend in der DDR
nicht unbedingt ein wildes Abenteuer. Aber es kommt Farbe in die Sache, als
Friedrich im Ferienlager mit der Tochter von englischen Kommunisten anbandelt,
die nicht nur Westlerin ist, sondern – Gipfel der Verruchtheit! – auch noch
Punk. In den Augen seiner Mitschüler macht ihn das zum neidisch beäugten Star.
Der kleine Haken: Die Punklady gibt es gar nicht. Friedrich Bender hat sie sich
nur ausgedacht. Weil das aber niemand wissen muss, besorgt er sich beim
Briefmarkenhändler in Berlin-Lichtenberg englische Briefmarken und bekommt nun
regelmäßig Post von der Insel.
Auch
die unglaublichen Erfolge des Sozialismus, die er als Agitator täglich vor der
Klasse vermelden soll, hat er etwas aufgeschönt oder gleich glatt erfunden.
Und
während die Wende seine linientreuen Eltern und die meisten seiner
Klassenkameraden in jahrelange Schockstarre versetzt, begreift Friedrich die
neuen Regeln schnell: Schon bald findet man den Jungen mit dem kreativen
Verhältnis zur Realität bei den Wechselstuben am Bahnhof Zoo, wo er sich ein
mehr als sattes Startkapital beschafft. Als Student schrecken ihn überfüllte
Hörsäle und zähe Seminare dermaßen ab, dass er sich einen anderen Weg ausdenkt,
zum schnellen Studienabschluss zu kommen. Und im Berufsleben des
kapitalistischen Westens scheinen Friedrich dann gar keine Grenzen mehr
gesetzt...
Jakob
Hein hat einen grandiosen Schelmenroman über einen Ostler geschrieben, der der
bessere Westler ist. Aber auch über jemanden, der mit erfundenen Geschichten so
lange vor sich selbst davonläuft, bis nichts mehr von ihm da ist.
Jakob
Hein, geboren 1971 in Leipzig, lebt seit 1972 mit seiner Familie in Berlin. Er
arbeitet als Psychiater. Seit 1998 Mitglied der „Reformbühne Heim und Welt“. Er
hat inzwischen 14 Bücher veröffentlicht, darunter Mein erstes T-Shirt (2001), Herr
Jensen steigt aus (2006), Wurst und
Wahn (2011) sowie zuletzt gemeinsam mit Jürgen Witte die Streitschrift Deutsche und Humor. Geschichte einer
Feindschaft (2012).
Kaltes
Wasser von
Jakob Hein ist bei Galiani erschienen.
(JK 05/16)
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