Alain Claude Sulzer: Postskriptum (Galiani)

Der Schweizer Schriftsteller Alain Claude Sulzer erzählt in seinem neuen Roman Postskriptum, der bei Galiani erschienen ist, wie ein Star des deutschen Films im Jahr 1933 aus der Bahn und alsbald in Vergessenheit gerät.

Lionel Kupfer, allseits umschwärmter Filmstar der frühen Dreißigerjahre, ist ins Hotel Waldhaus in Sils Maria gereist, um sich auf seine nächste Rolle vorzubereiten. Doch die Ereignisse überschlagen sich. Kupfer sieht sich mit der Tatsache konfrontiert, dass er als Jude in Deutschland unerwünscht ist. Der Vertrag für seinen nächsten Film wird aufgelöst. Die schlechte Nachricht überbringt ihm ausgerechnet Eduard, sein Liebhaber, dessen gefährliche Nähe zu den neuen Machthabern immer offenkundiger wird. Lionel Kupfer ist gezwungen, zu emigrieren. Doch muss er nicht nur Eduard verlassen, sondern auch einen jungen Schweizer Postbeamten namens Walter, der sich ins Hotel eingeschmuggelt hat, in der Hoffnung, dem von ihm verehrten Filmstar leibhaftig zu begegnen. Er kommt ihm dabei näher, als er je zu hoffen wagte. Die Geschichte folgt nicht nur Lionel ins Exil nach New York, wo er als Schauspieler nicht richtig Fuß fassen kann, sondern auch dem zwielichtigen Kunsthändler Eduard und dem jungen Postbeamten aus Sils. Innerhalb einer Zeitspanne von fünfzig Jahren kreuzen sich die Wege von Menschen unterschiedlicher Herkunft, die sich manchmal für wenige Tage sehr nahekommen, um dann wieder auseinandergerissen zu werden. Doch obwohl sie sich aus den Augen verlieren, vergessen sie einander nicht.

Alain Claude Sulze hat einen rasant erzählten, klug komponierten Roman geschrieben. Er blendet raffiniert voraus und zurück in der Romanhandlung, wobei seine Figuren mal gemeinsam, mal getrennt die Bühne betreten. Und auch wenn sie nicht gerade aktiv in der Handlung agieren, sind sie als Schatten anwesend und gegenwärtig. So wie Sulzer in seinem Roman das allmähliche Verschwinden in seinen Episoden thematisiert, schlägt er eine unausgesprochene Parallele zu der Judenverfolgung im 20. Jahrhundert, als das Verschwinden systematisch betrieben wurde. Diese wortlose Gegenwart des großen Verschwindens, das zwischen den Zeilen lauert, macht diesen Roman so eindringlich und virtuos.

Alain Claude Sulzer, 1953 geboren, lebt als freier Schriftsteller in Basel, Berlin und im Elsass. Er hat zahlreiche Romane veröffentlicht, zuletzt den Bestseller Aus den Fugen. Seine Bücher sind in alle wichtigen Sprachen übersetzt. In Frankreich gewann sein Roman Ein perfekter Kellner gegen Ian McEwan, Richard Ford, Don DeLillo, Denis Johnson u. a. den Prix Médicis étranger 2008. Sulzer erhielt den Hermann-Hesse-Preis (2009) und den Kulturpreis der Stadt Basel (2013).

Postskriptum  von Alain Claude Sulzer ist bei Galiani erschienen. 
(JK 01/16)

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