Der Debütroman Das
Leben ist ein merkwürdiger Ort der amerikanischen Autorin Lori Ostlund,
erschienen bei dtv, erzählt über das Weggehen, das Ankommen – und das Leben
dazwischen.
Ein Neuanfang in San
Francisco – dafür kündigt Aaron Englund nicht nur seinen Job als
Englischlehrer, sondern er verlässt auch seinen Partner Walter. Doch so leicht
lässt sich die Vergangenheit nicht abschütteln. Aaron holen Erinnerungen an
seine Kindheit ein: an die Jahre als Außenseiter in einem Provinznest in Minnesota,
an den Tod des Vaters und an seine Mutter, die eines Nachts mit dem Dorfpfarrer
durchgebrannt und nicht mehr zurückgekommen ist. Aber auch an besondere
Begegnungen, etwa mit seiner fanatischen Tante Jean, dem Griesgram Clarence
oder der dicken Bäckerin Bernice – allesamt fremd in einer Welt, in der
Anderssein nicht erwünscht ist. Zwanzig Jahre lang hat Aaron nichts von seiner
Mutter gehört. Als er den Detektiv Bill kennenlernt, bietet sich ihm unverhofft
eine Möglichkeit, sich mit seiner Vergangenheit auszusöhnen.
Lori Ostlund hat ein starkes
nachdenkliches Buch geschrieben, das viele persönliche Einblicke in einen
größeren Zusammenhang bringt, wie es sich anfühlt zu den Ausgeschlossenen zu
zählen. Der Stoff ist gewiss nicht neu. Mit dem Rest der Gesellschaft in
gewissen Dingen nicht in Einklang zu stehen oder sich mit allem identifizieren zu
können, ist sicherlich eine Situation, die der Eine oder die Andere erlebt hat,
auch wenn man es sich nicht gleich eingestehen kann. Was Ostlunds Roman so
lohnend macht, ist, dass sie einige Extreme in ihren sozial entrechteten
Figuren platziert und sie dabei beinahe zur Absurdität zuspitzt. Und doch
wirken diese als ein normaler Bestandteil, bleiben zutiefst menschlich. Es sind
kleine Nuancen, die diese Menschen anders machen und ein Stereotyp bedienen -
Homosexualität, Übergewicht, usw. Die Leser finden Zugang zu den einzelnen
Persönlichkeiten dieser Figuren. Was die Autorin so gut einfängt, ist zumeist
in ihrer Hauptfigur Aaron zu finden. Sie weckt Mitgefühl, jedoch kein Mitleid.
Sie zeigt seine Makel, ohne dass er dadurch verachtenswert wird. Selbst als sie
seine Vergangenheit und seine Gegenwart enthüllt, stellt sie sicher, dass die Einblicke,
die man in Aarons Leben gewinnt, glaubwürdig bleiben. Seine Entscheidungen sind
nachvollziehbar, weil sie nie so angelegt sind, dass sie das Mittel für Aaron waren,
das zu tun, was er glaubt das Beste für sich selbst zu sein, sondern als das
Mittel, um bestimmte Momente in seinem Leben zu verkraften, die für Aaron eine
Sackgasse darstellten. So steht für die Autorin nicht die chronologische
Auflistung von Ereignissen im Vordergrund sondern durch die vielen Flashbacks
zu bestimmten Erlebnissen in seinem Leben entsteht für die Leser die Person Aaron.
Lori Ostlund wuchs in Minnesota
auf. Nach ihrem Studium in Minnesota und New Mexico arbeitete sie als
Antiquitätenhändlerin und Englischlehrerin, u. a. in New Mexico, Spanien und
Malaysia. Ihr Erzählungsband The Bigness of the World erschien 2009 bei
University of Georgia Press und wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit
dem Flannery O'Connor Award for Short Fiction. Das Leben ist ein
merkwürdiger Ort ist ihr erster Roman. Lori Ostlund lebt und schreibt in
San Francisco.
Das Leben ist ein merkwürdiger Ort von Lori Ostlund ist bei dtv erschienen.
(JK 11/16)
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