Posthum ist bei Kunstmann
der Roman Paris-Austerlitz des spanischen Autors Rafael Chribes
erschienen.
Ein junger spanischer
Maler flieht vor den Ansprüchen seiner gutbürgerlichen Familie nach Paris und
steht dort vor dem Nichts. Er hat keinen Job, kein Geld und weiß nicht wohin,
als er Michel kennenlernt, einen Arbeiter Mitte fünfzig, dessen Vitalität ihn fasziniert
und anzieht. Sie verlieben sich, Michel nimmt ihn auf, in seine Wohnung, sein
Bett, sein Leben. Am Anfang sind sie nur glücklich und genießen die gemeinsame
Zeit, die nächtlichen Streifzüge durch die Kneipen und die am Wochenende durch
das lichte Paris, die Kinos, die Ausstellungen, die Parks. Aber irgendwann
erinnern die in der Ecke des ärmlichen Hinterhofzimmers gestapelten Leinwände
den jungen Mann daran, dass er noch andere Ambitionen hat. Auch der Alters-,
Bildungs- und Klassenunterschied macht sich bemerkbar, und die Liebe kann diese
Unterschiede nicht besiegen, nicht, wenn sie so besitzergreifend ist wie die
Michels.
Drei Monate vor seinem
Tod hat Rafael Chirbes seinen Roman Paris-Austerlitz vollendet, an dem
er über 20 Jahre lang geschrieben hat. Es muss ihm eine Herzensangelegenheit
gewesen sein, dieses Werk noch vollenden zu können. In dem Roman beschreibt
Chirbes Hölle und Paradies der Liebe, die Überreste eines gestrandeten Wracks,
Illusionen aus der Anfangszeit, Enttäuschung... Es ist die Beschreibung eines
Lebenskarussells, das immer mehr außer Kontrolle gerät, je mehr man beginnt,
den anderen kennenzulernen oder auch realisiert, den anderen nicht zu kennen.
Das und einiges mehr ist quasi das literarische Vermächtnis von Rafael Chirbes.
Über zwei Jahrzehnte arbeitet er an diesem Stoff, nahm ihn und ließ ihn ruhen, kam
zu ihm zurück und distanzierte sich wieder. Herausgekommen sind 160 intensive,
direkte und kompromisslose Seiten. Ein Roman, der nach den Beweggründen des
Herzens forscht. Sie mögen gelegentlich falsch sein, erweisen sich aber als
unwiderstehlich. Es ist die tröstliche Natur der Liebe, ihre erlösende Kraft,
auch wenn sie nicht alles überwindet, die diesen Roman zu einem Juwel macht und
die große sprachliche Kraft von Rafael Chirbes noch einmal leuchten lässt.
Rafael Chirbes, geboren
1949 in Tabernes de Valldigna, arbeitete nach dem Studium als Literatur- und
Filmkritiker für verschiedene Zeitschriften. Schon bald wurde er einer der
international bekanntesten spanischen Autoren. Für seine Romane Krematorium
(2008) und Am Ufer (2014) erhielt er jeweils den spanischen
Nationalpreis der Kritik. Zuletzt lebte Chirbes zurückgezogen in Beinarbeig bei
Alicante, wo er im August 2015 starb.
Paris-Austerlitz von Rafael Chirbes ist bei Kunstmann
erschienen.
(JK 12/16)
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