Rose Tremain: Und damit fing es an (Insel)

Einen zarten, bewegenden Roman hat die britische Autorin Rose Tremain mit ihrem Buch Und damit fing es an geschrieben, der bei Insel erschien. Er erzählt davon, dass es manchmal fast ein ganzes Leben dauert, bis man das Glück findet – in dem einen Menschen, den man zum Leben braucht.

Gustav Perle ist ein zurückhaltender Mann. Er wuchs in den 1940e Jahren allein bei seiner Mutter Emilie in ärmlichen Verhältnissen im schweizerischen Matzlingen auf – und schon damals hat er gelernt, nicht zu viel vom Leben zu wollen. Als Anton in seine Klasse kommt, ein Junge aus einer kultivierten jüdischen Familie, hält mit ihm auch das Schöne in Gustavs Leben Einzug. Anton spielt Klavier, und seine Familie nimmt Gustav sonntags mit zum Eislaufen. Emilie sieht das nicht gerne, lebt sie doch in der Überzeugung, dass die Bereitschaft ihres verstorbenen Mannes, jüdischen Flüchtlingen zu helfen, letztlich ihr gemeinsames Leben ruiniert hat. Doch Anton ist alles, was Gustav braucht, um glücklich zu sein. Umso härter trifft es ihn, als Anton – beide sind längst erwachsen – Matzlingen verlässt, weil er seine große Chance als Pianist wittert. Gustav widmet sich seinem Hotel Perle, das er inzwischen mit Erfolg führt – doch er ist einsam und verspürt eine große Leere in seinem Leben. Bis Anton, gescheitert, zurückkehrt – und beide erkennen, dass das Glück vielleicht schon immer direkt vor ihnen lag. 

Rose Tremain zeigt in ihrem Roman, wie eine tiefe Beziehung zwischen zwei Menschen beständig durch alte psychische Verletzungen, den Blick verstellende Leidenschaften, deplatzierte Liebe, Neid, Ehrgeiz und Antisemitismus vereitelt wird. Rose Tremain deutet an, dass Freundschaft die zuverlässigste Form der Beziehung sein kann, aber am Ende des Buches, fühlt es sich, als ob es ebenso Dinge geben kann, die auch eine Freundschaft nicht überwindet. Tremain ist eine Schriftstellerin von beispielhafter Vision und Besonderheit. Die fiktive Welt wird mit außergewöhnlicher Lebendigkeit wiedergegeben. Die Motive – ein Walnuss-Flan, ein Kirschbaum, die Klappe eines faltbaren Küchentisches, Seidenraupen in einem Schulprojekt, ein verlassenes Sanatorium außerhalb des Ferienortes Davos – hauchen den Szenen nicht nur Leben ein, sondern kehren in der Geschichte wieder auf und verleihen dem Buch zarte Momente der Kontinuität.

Rose Tremain wurde 1943 geboren und wuchs in London auf. Sie studierte ein Jahr lang an der Pariser Sorbonne, ging zurück in ihre Heimat und begann ein Anglistikstudium an der University of East Anglia in Norwich, das sie 1967 abschloss. Dort lehrte sie später von 1988-1995 als Dozentin Creative Writing. Vorher war sie Lehrerin an einer Privatschule für Jungen. Rose Tremain veröffentlichte Romane, Kurzgeschichten, schrieb aber auch für Film, Funk und Fernsehen. Ihr Roman Zeit der Sinnlichkeit wurde 1995 mit Robert Downey Jr., Hugh Grant und Meg Ryan verfilmt (Originaltitel: Restoration). Ihr Roman The Road Home (dt: Der weite Weg nach Hause), wurde 2008 mit dem Orange Prize for Fiction ausgezeichnet. Tremain lebt mit ihrem Lebenspartner, dem Biographen Richard Holmes, in London und Norwich.

Und damit fing es an von Rose Tremain ist bei Insel erschienen. 
(JK 12/16)

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