Nochtspeicher
Mittwoch, 24.05.2017 20.00
Uhr
Bernhard-Nocht-Straße 69a, Hamburg
Eintritt: 9 Euro
Mit der Herkunft ist das so eine
Sache, manche erfüllt sie mit Stolz, andere leiden ein Leben lang darunter, in
jedem Fall trägt man sie stets mit sich herum. Das ist auch bei Arno Frank so,
der in seinem gefeierten, bei Tropen erschienenen, autobiographischen Familien-
und Bildungsroman So, und jetzt kommst du
erzählt, dass er als Kind eine Zeit lang wie im Paradies leben durfte. Und dann
in der Hölle landete. Das ist ganz schön schräg, immer wieder unglaublich
komisch und tragisch zugleich. Zum „Yachtclub“ stellt Arno Frank seinen Roman
vor. Es moderieren Tina Uebel und Friederike Moldenhauer.
Es
beginnt mit einem sehr treffenden Zitat von Heimito von Doderer, der wusste:
„Jeder bekommt eine Kindheit über den Kopf gestülpt wie einen Eimer. Später
zeigt sich, was darin war. Aber ein ganzes Leben lang rinnt das an uns herunter,
da mag einer die Kleider oder auch die Kostüme wechseln, wie er will.“ Bei Arno
Frank ist das, was sich in dem Eimer befindet, ziemlich ätzend, obwohl es am
Anfang gar nicht danach aussieht. Der „Lärchenweg“, wo er seine ersten Jahre
verbringt, ist ein Ort, über den er „gerne Karamell gießen würde“, ein Ort zum
Glücklichsein: „Gedrängt wie vier Freunde auf der Rückbank eines Autos“ stehen
dort die Häuser nebeneinander, darunter auch das Elternhaus. Sein Vater Jürgen
ist Verwaltungsfachmann, hat sich selbstständig gemacht und verkauft von
„Kugelschreibern mit Schiebemechanismus“ über „Hirschgeweihe aus Kunststoff“
und „Aschenbecher aus Bakelit“ bis zu „Heimtrainern“ alles, was Geld bringt.
Als er eine ganze Flotte zerlegter Kübelwagen kauft, hat die Geschichte gerade
erst Fahrt aufgenommen, doch man ahnt schon, dass das alles nicht gut gehen
wird: Die Familie ist bald verschuldet und verliert ihr Haus, daran ändern auch
die Tupperpartys der Mutter nichts. Unglücklich sind die Eltern und die drei Kinder
in dieser Zeit nicht, und später, als der Vater das große Geld macht, „einen
Arsch voll Geld“, und die Familie überstürzt nach Frankreich flieht, geht es
ihnen sogar ganz ausgezeichnet. Frank besucht in Cannes eine Privatschule, nur
die Frage, was der Vater arbeitet und wie er an sein Geld gekommen ist, findet
irgendwie keine befriedigende Antwort. Jürgen erzählt vom großen Gewinn im
Casino und ist sich sicher: „Nothing really matters, nothing really matters to
me!“ Ein paar Tage später versteckt er sich dann im Wandschrank vor der
Polizei, das große Geld ist ausgegeben, und die Familie flieht weiter nach
Portugal. Das paradiesische Leben an der Côte d‘Azur mündet unvermittelt in
einem Albtraum, der sich nicht einmal im „bewährten Überzeugungszauber“ des
Vaters aufhellt. Am Ende dieses bewegenden literarischen Roadmovies, das Arno
Frank mit großer poetischer Tiefenschärfe ausleuchtet, fällt ein versöhnlicher
Blick auf „all den erfreulichen Tand, den die Zeit an den abendlichen Strand
des Lebens“ der Mutter „geschwemmt hatte“. Der Vater hat sich da schon lange
„ins Nichts der Freiheit“ verflüchtigt.
Arno
Frank, geboren 1971 in Kaiserslautern, ist Publizist und freier Journalist. Er
schreibt u.a. für die taz, Die Zeit, Spiegel Online, Dummy, Fluter und den
Musikexpress. Er lebt mit seiner Familie in Wiesbaden.
So,
und jetzt kommst du von Arno Frank ist bei Tropen erschienen.
(JK 05/17)
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