Amitav Ghosh: Die Flut des Feuers (Blessing)

Mit einer vor Atmosphäre und Detailfreude flirrende, spannende und berührende Geschichte vor der Kulisse Indiens und Chinas, schließt der indische Autor Amitav Ghosh mit dem Roman Die Flut des Feuers, erschienen bei Blessing, sein in drei Bände angelegtes großes historisches Panorama über die Opiumkriege ab, die eine frühe Ära der Globalisierung markieren. Ein schillerndes Epos über die Welt am Rande einer Zeitenwende.

1839: Nachdem China den vornehmlich von den Briten und deren Kolonien betriebenen Handel mit Opium nicht mehr dulden will, erklärt ihm Großbritannien den Krieg. Die Hind ist eines der Schiffe, die bei einem Angriff zum Einsatz kommen sollen, und segelt zu diesem Zweck von Bombay nach China. An Bord ist unter anderem Kesri Singh, ein Kommandant der britisch-ostindischen Armee, der eine Kompanie Soldaten befehligt; außerdem Zachary Reid, ein verarmter junger Seemann, der auf der Suche nach seiner verlorenen Liebe ist, und Shirin Moddie, die in China die Hinterlassenschaft ihres verstorbenen Mannes, eines Opiumhändlers, an sich nehmen will. Sie alle geraten schon bald in die Wirren der Opiumkriege, die in Chinas verheerender Niederlage und in der Annektierung Hongkongs durch Großbritannien enden werden.

Die Trilogie startete mit dem ersten Band Das mohnrote Meer, der für den Man Booker-Preis des Jahres 2008 nominiert wurde. Er konzentrierte sich auf die grauenvollen Details der Opiumproduktion und ihre Auswirkungen auf die Menschen in Bihar und an der Bucht von Bengalen, vor allem aus Sicht von Deeti, Witwe geworden durch die Opiumabhängigkeit ihres Mannes und dazu bestimmt, auf seinem Scheiterhaufen zu sterben, bis sie an Bord der Ibis entkommt, ein ehemaliger Sklavenschoner, der als Transporter für Opium umgebaut wurde. Der rauchblaue Fluss war das zweite Buch der Trilogie und beleuchtete den Umschlagplatz des Opiumhandels, Kanton in China, und beschrieb die wachsende Spannung zwischen den chinesischen Behörden und den Händlern. Im nun vorliegenden letzten Band gipfelt diese Spannung durch das Auslösen eines veritablen Konflikts – im Wesentlichen zwischen einem Staat, der einem zügellosen Freihandel widerstehen will, der eine weit verbreitete Sucht unter seiner Bevölkerung verursacht und einer Verknüpfung von persönlichen und finanziellen Interessen durch Firmen, die rücksichtslos durch den Freihandel profitieren. Amitav Ghosh zeigt, wie dieser Konflikt die Landkarte der Region verändert und wie der abseits liegende Hafen von Hongkong zu einem weltweit einflussreichen Handelszentrum mutiert.

Amitav Ghosh ist es gelungen, dass sich keiner der Romane dieser Trilogie wie trockener Geschichtsunterricht liest. Ghosh hat glaubwürdige fiktive Charaktere geschaffen. Einzig die Verknüpfung der Charaktere über die drei Romane hinweg, wäre noch narrativ ein Meisterzug gewesen. Ghoshs Romane erforschen, wie die Europäer darangingen, ihre Kolonialreiche zu errichten, über den Erwerb von Land, das anderen Menschen gehört und diese dann unterjochten. Er zeigt, dass neben der Gier nach Profit, die Europäer sich auf einer höheren, selbstlosen, moralischen Mission glaubten, die Menschen in den Indien und China aus ihrer elendigen Existenz zu heben. Es ist Teil der großen Geschicklichkeit Ghoshs, sowohl als Geschichtenerzähler als auch Herr seiner Geschichten, dass seine Erzählung niemals wie eine antikoloniale Hasstirade rüberkommt.

Amitav Ghosh wurde 1956 in Kalkutta geboren und studierte Geschichte und Sozialanthropologie in Neu-Delhi. Nach seiner Promotion in Oxford unterrichtete er an verschiedenen Universitäten. Mit Der Glaspalast, erschienen in Deutschland im Jahr 2000, gelang dem schon vielfach ausgezeichneten Autor weltweit der große Durchbruch. 2006 legte er den Essayband Zeiten des Glücks im Unglück vor. Ghosh lebt in Indien und den USA.

Die Flut des Feuers von Amitav Ghosh ist bei Blessing erschienen. 
(JK 01/17)

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