9.
Harbour Front Literaturfestival
Cap
San Diego
Samstag 16.09.2017 21.00
Uhr
Überseebrücke, Hamburg
Eintritt: 14 Euro
Sie drehen einen Film vom glücklichen Kriegsende.
Obwohl der Abspann längst läuft. Bernd Schroeder liest aus seinem neuen Roman Warten
auf Goebbels, der bei Hanser erschienen
ist. Maike Schiller moderiert den Abend.
Anfang 1945: Die UFA
dreht einen Kriegsgewinner- und Heimkehrerfilm im Kitschformat, doch in
Wirklichkeit brennt Berlin. Die UFA dreht einen Film über den Tag, an dem der
Führer mit seinem Volk den Sieg feiern wird. Ein Motorrad saust durch schöne
Kulissen, der Vater zeigt seinem Sohn, wofür er in Russland gekämpft hat. Noch
einmal wird den Deutschen Mut gemacht, Mut im letzten Augenblick. Während der
2. Weltkrieg auf sein Ende zu tobt, spielen berühmte Schauspielerinnen und
ehrgeizige Statisten, schwule Stars und diktatorische Regisseure immer weiter.
Und das Schlimmste: Goebbels spielt im Film sich selbst, Goebbels. Die Film-Festrede
soll Propagandaminister Goebbels halten. Doch er kommt nicht zum Set. Die
Akteure stört das Warten auf Goebbels nicht – solange der Film nicht
fertig ist, muss keiner an die Front. Das Warten beginnt.
Bernd Schroeders
verblüffender Roman bringt das Lächerliche und das Grauenvolle zusammen, er
spiegelt die große Katastrophe in einem grotesken Endspiel. Dabei gibt
Schroeder dem Humor reichlich Platz, dem man sich trotz der bekannten Dramatik
nicht entziehen kann. Wie es so halt am Set zugeht: Es wird gezickt,
hintertrieben, geschmollt und protestiert. Auf ca. 240 Seiten und in kurzen
Kapiteln gehalten, schafft es Schroeder, alle handelnden Personen auszuleuchten.
Durch biographische Details werden sie lebendig. Er stellt die Ereignisse differenziert
dar und durch das Wechseln zwischen realen Szenen und solchen aus dem Film wird
die Absurdität des Ganzen, Oberflächlichkeit in einer zutiefst ernsten
Situation, greifbar. Ein gelungener Roman, der aus einer völlig neuen
Perspektive die Endzeitstimmung der Naziherrschaft einfängt.
Deutsche Welle Online meint:
„Der Autor verwebt Historisches und Fiktives, Dokumentiertes und Erfundenes,
macht aus der absurden Geschichte dieses letzten NS-Propagandafilms einen
pointierten Roman über Größenwahn und den Zusammenhang von Kunst und Politik“.
Bernd Schroeder, geboren
1944 auf der Flucht seiner Eltern im heute tschechischen Aussig, wuchs im
oberbayerischen Fürholzen auf. Er lebt in Berlin. Als Autor und Regisseur
zahlreicher Hör- und Fernsehspiele erhielt er 1985 den Adolf-Grimme-Preis und
1992 den Deutschen Filmpreis.
Warten auf Goebbels von Bernd Schroeder ist bei Hanser
erschienen.
(JK 09/17)
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