Frankreich – Ehrengast 2017 der
Frankfurter Buchmesse
Ein
kleines Mädchen spaziert bei Tag durch Paris. Bei Nacht wird es im Traum
eingeholt von der Geschichte seiner Familie, einer Vergangenheit, die sich in
seinen Körper eingeschrieben hat und die es in die Straßen des Warschauer
Ghettos führt. Der Großvater stammte
aus Polen, wo auch die Mutter geboren wurde, die als Kind nur knapp der
Ermordung durch die Deutschen entging. Ihre Tochter soll nur leben, mehr
verlangt sie nicht. Doch Alpträume lassen auch die inzwischen bald
Vierzigjährige nicht los, so dass ihr Lebenswillen immer mehr schwindet. Um die
Sehnsucht nach dem Tod zu überwinden, muss sie sich der Vergangenheit stellen,
die ihren Alltag und ihre Beziehungen prägt. Als sie durch ein amtliches
Schreiben aus dem Jahr 1945 erfährt, dass ihr Großvater nicht, wie immer
angenommen, in Bergen-Belsen umgekommen ist, sondern befreit wurde, macht sie
sich auf die Suche nach diesem Mann, von dem seit 65 Jahren jegliches
Lebenszeichen fehlte. Sie fährt mit ihrer Mutter nach Warschau, gerät immer
tiefer in den Osten und findet dabei zu sich selbst. Doch sie fördert auch eine
Wahrheit zutage, die weit über die Geschichte ihrer Familie hinausstrahlt.
Ein
dunkles, ein gefährliches Strahlen ist es, das Ruth Zylberman hier mit ihrer
betörend klaren Sprache bannt.
Ruth
Zylberman, geboren 1971 in Paris, studierte Geschichte an der Sciences Po Paris
und an der New York University, bevor sie als Autodidaktin in die Filmbranche
wechselte. Nach einigen gemeinsamen Filmen mit dem Regisseur und Moderator
Serge Moati setzte sie eigene Projekte um, viele davon für ARTE, unter anderem
ein Porträt des legendären Pariser Verlegers Maurice Nadeau in Maurice
Nadeau, Le Chemin de la vie. Für ihren Film Dissidents, les artisans de la
liberté (2010) wurde sie mit dem Grand Prix du documentaire d'histoire
ausgezeichnet. Vermisstenstelle ist ihr erster Roman.
Vermisstenstelle von Ruth Zylberman ist bei Secession
erschienen.
(JK 08/17)
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