Büchereck
Niendorf Nord
Freitag, 06.04.2018 19.30 Uhr
Nordalbinger Weg 15, Hamburg
Eintritt: 8 Euro
Unendliche Weiten im Westerwald: Mariana Leky liest
aus ihrem neuen Roman Was man von hier aus sehen kann, der bei Dumont
erschienen ist Karla Paul
moderiert den Abend.
Es ist ein ganz eigener Kosmos,
den Mariana Leky in ihrem Roman Was man von hier aus sehen kann öffnet,
seine unendlichen Weiten liegen etwas abseits von den großen Sternenhaufen, in
denen das Leben sonst unbedingte Anwesenheitspflicht erfordert und folgen
manchmal ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten. Aber so ist das in einem kleinen Dorf
im Westerwald, besonders wenn Selma wieder einmal von einem Okapi geträumt hat.
Dann kann sich niemand mehr sicher sein, jeden könnte es treffen, obwohl das
Okapi ein abwegiges Tier ist. Viel abwegiger als der Tod. Das Leben, die Liebe,
der Schmerz und der Tod, das sind die Themen, von denen Mariana Leky in ihrem
klugen und berührenden Roman in großer Leichtigkeit, sprachlicher Präzision und
Komik erzählt. Doch das Schönste an dem Lebenskosmos im Westerwald ist dann
vielleicht doch, dass sich die Menschen in ihrer Verschrobenheit so innig
zugetan bleiben – über alle Grenzen ihres Dorfes hinweg.
In Selmas Traum steht das
Okapi mit „seinem giraffenhaft geformten rostroten Leib, seinen Rehaugen und
Mausohren“ zusammen mit ihr auf einer Wiese am Waldrand, irgendwann sehen Selma
und das Okapi sich an – und dann ist der Traum vorbei. Selma erzählt ihrer
zehnjährigen Enkeltochter Luise und ihrer Schwägerin Elsbeth davon, was zur
Folge hat, dass noch bevor Luise in der Schule ist, das ganz Dorf von dem Traum
weiß. Und umgehend Vorbereitungen trifft, denn wenn Selma von einem Okapi
geträumt hat, dann muss im Dorf jemand sterben. Manche Leute bleiben daraufhin
einfach nur besonders still sitzen, so wie der pensionierte Postbote, andere
kümmern sich um die Wahrheit, die noch raus muss, bevor es zu spät dafür ist.
Der Optiker zum Beispiel kämpft mit der verschwiegenen Liebe zu Selma und all
den Liebesbriefen, in denen er selten über die Anrede »Liebe Selma, mal was anderes«
hinauskam. Das ganze Dorf weiß von dieser Liebe und fragt sich, wann der
Optiker „endlich damit herausrücken würde, mit etwas, das längst herausgerückt
war“.
Der Tod holt sich
schließlich denjenigen, der am wenigsten damit rechnet. Die verschwiegene Liebe
des Optikers zu Selma bleibt eines der Leitmotive des Romans, die Mariana Leky
immer wieder variiert, eine Art poetischer Running Gag, der damit spielt, dass
wir so oft zielsicher den Augenblick verpassen, um zu sagen, was gesagt werden
müsste, um einen Anfang für etwas zu finden, um zu beenden, was beendet werden
müsste, um das zusammenzubringen, was, wie bei einem Okapi, scheinbar nicht
zusammenpasst. Luises Mutter verbringt viele Jahre „in der schlechten
Gesellschaft“ der Frage, ob sie sich von ihrem Mann trennen soll. Luises Vater
begibt sich auf eine endlose Weltreise, nachdem er mit dem Versuch gescheitert
ist, seinen Schmerz durch die Anschaffung von „Alaska“ zu externalisieren.
„Alaska“ ist ein großer irischer Hirtenhund, der daraufhin mit dem Schmerz
leben muss, dass sein Herrchen nur ab zu mal vorbeikommt.
Luise, die mit dem Rat
des Vaters „mehr Welt hereinzulassen“ zurückbleibt, verliebt sich in einen
buddhistischen Mönch aus Hessen, der zu einem kurzen Besuch in Deutschland ist
und sonst in einem Kloster in Japan lebt. Eine unmögliche Liebe, die sich über
ein Jahrzehnt mit Briefen behilft. Das Leben, die Liebe, der Schmerz und der
Tod, das sind die Themen, von denen Mariana Leky in diesem klugen und
berührenden Roman in großer Leichtigkeit, sprachlicher Präzision und Komik
erzählt. Doch das schönste an dem westfälischen Lebenskosmos ist dann
vielleicht doch, dass sich die Menschen in ihrer Verschrobenheit so innig
zugetan bleiben – über alle Grenzen ihres Dorfes hinweg.
Mariana Leky studierte
nach einer Buchhandelslehre Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim.
Die Autorin lebt in Berlin und Köln. Mit ihren ersten Erzählungen gewann sie
den Allegra Preis 2000. Für den 2001 erschienenen Erzählband Liebesperlenwurde
sie mit dem Niedersächsischen Literaturförderpreis und dem Stipendium des
Landes Bayern ausgezeichnet. 2005 wurde sie für ihren Roman Erste Hilfe
mit dem Förderpreis für junge Künstler in der Sparte Dichtung/Schriftstellerei
des Landes NRW ausgezeichnet. Was man von hier aus sehen kann ist das „Lieblingsbuch
der Unabhängigen“ 2017 – gewählt von Buchhändlerinnen und Buchhändlern aus ganz
Deutschland.
Was man von hier aus sehen kann von Mariana Leky ist bei Dumont erschienen.
(JK 04/18)
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