In Marlon James Roman Der
Kult, erschienen bei Heyne Hardcore, kämpft der Teufel nicht mit fairen
Mitteln.
Im Dorf Gibbeah beginnt
der Sonntag mit einem bösen Omen: Während der Morgenmesse fliegt ein Geier
durch das geschlossene Kirchenfenster und schlägt tot auf der Kanzel auf. Nur
wenige Minuten später wirft ein schwarz gekleideter Fremder den Dorfprediger zu
Boden und übernimmt die Kontrolle über die Gemeinde. Als selbst ernannter
Apostel York predigt er Rache und Verdammnis. Doch der alte Prediger weigert
sich, seinen Platz widerstandslos abzugeben. Ein gnadenloser Glaubenskampf
beginnt. Das Dorf scheint dem Untergang geweiht.
Marlon James Roman ist
sehr ungewöhnlich, atmosphärisch dicht mit filmreifen Bildern, die der Autor
mit seiner unkonventionellen Ausdrucksweise im Kopf des Lesers heraufbeschwört.
Er erzählt seine Geschichte aus mehreren Perspektiven: aus der Sicht Pastor
Blighs und der Witwe Greenfield, die aufgrund eines angeblichen „Lebens in
Sünde“ auch vom Apostel verschrien werden; aus den Augen von Lucinda, die als
einziger Charakter nicht mit Nachnamen angesprochen wird, die ein euphorischer
Anhänger Yorks ist; und aus der Perspektive der Gemeinde, die allerdings keinen
Namen hat, sondern mehr die Masse widerspiegeln soll. Dieses Buch ist nichts
für Zartbesaitete! Explizit wird hier beschrieben, wie Apostel York seinen Kult
um sich schart und wie seine Methoden aussehen. Auch der Wahnsinn, der York und
nach und nach Gibbeah beherrscht, geht unter die Haut. Jede Menge Zitate aus
der Bibel werden geschickt in die Handlung mit eingeflochten und lassen dabei
ein etwas zweifelhaftes Bild auf Religionen und deren fanatischen Anhänger
entstehen. Marlon James packt den Leser von Anfang an und lässt ihn einfach
nicht mehr los.
Marlon James wurde 1970
als Sohn zweier Polizeibeamter in Kingston geboren. Mehr als zehn Jahre
arbeitete er als Werbetexter und Grafikdesigner, u.a. für den Dancehall-Musiker
Sean Paul und das T-Magazin der New York Times. Bei einem Literaturworkshop in
Jamaika wurde eine Dozentin der Wilkes University Pennsylvania auf James
aufmerksam und verschaffte ihm ein Masterstudium in Kreatives Schreiben sowie
eine Assistentenstelle. Sein erster Roman Der Kult erfuhr über siebzig
Ablehnungen, ehe er einen Verlag fand und in der Folge als bestes Debüt für den
Los Angeles Times Book Prize und den Commonwealth Writers’ Prize nominiert
wurde. Für sein 2009 erschienenes Nachfolgewerk The Book of Night Women
über eine Revolte jamaikanischer Sklavinnen während der Kolonialzeit erhielt
James den Dayton Literary Peace Prize und den Minnesota Book Award. Sein
dritter Roman Eine kurze Geschichte von sieben Morden, wurde ebenfalls
vielfach ausgezeichnet. Als erster Jamaikaner erhielt James den Man Booker
Prize. Er lebt heute in Minneapolis, Minnesota.
Der Kult von Marlon James ist bei Heyne Hardcore erschienen.
(JK 07/18)
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