stories!
im Falkenriedquartier
Mittwoch, 02.10.2019
19.30 Uhr
Straßenbahnring
17, Hamburg
Eintritt: 5 Euro
Bernd Brunner liest aus seinem neuen Roman Die
Erfindung des Nordens, der bei Galiani Berlin erschienen ist.
Für viele Jahrhunderte
ist der Norden eine Weltgegend, in der man das Böse vermutet, ein Ort der Kälte
und Dunkelheit. Er liegt links vom Sonnenaufgang, zeigt „Richtung Mitternacht“
und führt schnurstracks hinaus aus der gebildeten Welt im Mittelmeerraum. Angst
und Schrecken geht von dieser Gegend aus, auch Hamburg braucht lange, bis es
sich von einer grausamen Heimsuchung des Nordens erholt. Im Jahr 845 überfallen
Wikinger die damals noch kleine Siedlung und erschlagen, wen auch immer sie
erwischen. Gleichzeitig wird hoch im Norden schon im 4. Jahrhundert v. Chr.
eine Insel beschrieben, die bald mythische Bedeutung erlangt: das sagenhafte
Thule. Es ist nur eine der großen Projektionsflächen, die Bernd Brunner in
seinem neuen Buch Die Erfindung des Nordens ausleuchtet.
Zum Auftakt erfahren wir
von einem Stich aus der „Wunderkammer des königlichen Antiquars des
dänisch-norwegischen Reiches Ole Worm“, aus dem sich ableiten lassen soll, dass
der Urahn des sagenumwobenen Einhorns kein Pferd war, sondern ein die Nordmeere
bewohnendes Meerestier. Es ist nur eine der vielen Preziosen, die Bernd Brunner
für seine „Kulturgeschichte einer Himmelsrichtung“ gesammelt hat. Der in Berlin
und Istanbul lebende Autor findet seine Themen stets an der Schnittstelle von
Kultur-, Wissenschafts- und Mentalitätsgeschichte, mal vermittelt er in Ornithomania
Staunens- und Wissenswertes aus der Welt der Vogelkunde, dann erzählt er in Als
die Winter noch Winter waren die „Geschichte einer Jahreszeit“ oder
schreibt ein Granatapfelbuch. Zu einem großen Streifzug lädt er mit
seiner Kulturgeschichte des Nordens ein, er führt von der Entdeckung Thules bis
zu IKEA, vom ersten Touristen auf der „Bäreninsel“ über die verschiedenen
Nordpol-Expeditionen bis zur kultischen Verehrung alles Nordischen durch die
Nazis, die im Norden die „Urheimat der Germanen“ sahen und in Helgoland die
Hauptstadt von Atlantis entdeckt haben wollten. Vom wahren Norden erzählt
Brunner zum Abschluss seiner Exkursion, und wir erfahren, dass man „Ultima
Thule“, den nördlichsten Landpunkt der Erde, kürzlich „in den Weltraum verlegt“
hat – als Bezeichnung für den am weitesten entfernten Himmelskörper, der je
untersucht wurde. Der irdische Norden rückt unterdessen als Wirtschaftsregion
mehr und mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Mit Frank Brunner kann man diesen
profanen Blick um große Weiten ergänzen und darf sich damit trösten, dass die
Jahrhunderte verbindende Magie, die vom Norden ausgeht, wenigstens in der
Literatur erhalten bleibt.
Bernd Brunner, 1964
geboren, schreibt vielbeachtete, höchst unterhaltsame Bücher an der
Schnittstelle von Kultur und Wissenschaftsgeschichte. Seine Bücher sind in zahlreiche
Sprachen übersetzt.
Die Erfindung des Nordens von Bernd Brunner ist bei Galiani
Berlin erschienen.
(JK 09/19)
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