Margaret Atwood: Die Zeuginnen / Der Report der Magd (Piper)

Für ihren Roman Die Zeuginnen erhielt Margaret Atwood den Booker Prize 2019. Er ist die Fortsetzung ihres 1985 erschienenen und vor Kurzem in einer aufsehenerregenden Serie verfilmten Kultromans Der Report der Magd. Beide sind nun als Taschenbuch erhältlich.

„Und so steige ich hinauf, in die Dunkelheit dort drinnen oder ins Licht.“ – Als am Ende vom Report der Magd die Tür des Lieferwagens und damit auch die Tür von Desfreds „Report“ zuschlug, blieb ihr Schicksal für uns Leser ungewiss. Was erwartete sie: Freiheit? Gefängnis? Der Tod? Das Warten hat ein Ende! Mit Die Zeuginnen nimmt Margaret Atwood den Faden der Erzählung fünfzehn Jahre später wieder auf, in Form dreier explosiver Zeugenaussagen von drei Erzählerinnen aus dem totalitären Schreckensstaat Gilead. „Liebe Leserinnen und Leser, die Inspiration zu diesem Buch war all das, was Sie mich zum Staat Gilead und seine Beschaffenheit gefragt haben. Naja, fast jedenfalls. Die andere Inspirationsquelle ist die Welt, in der wir leben.“

Der Roman Der Report der Magd, erschienen bereits 1985, war provokant, erschreckend und geradezu prophetisch, wenn man die Entwicklungen in den USA während der letzten zehn Jahre betrachtet. Der Roman ist die provozierende Vision eines totalitären Staats: Nach einer atomaren Verseuchung ist ein großer Teil der weiblichen Bevölkerung unfruchtbar. Die Frauen werden entmündigt und in drei Gruppen eingeteilt: Ehefrauen von Führungskräften, Dienerinnen und Mägde. Letztere werden zur Fortpflanzung rekrutiert und sollen für unfruchtbare Ehefrauen Kinder empfangen. Auch die Magd Desfred wird Opfer dieses entwürdigenden Programms. Doch sie besitzt etwas, was ihr alle Machthaber, Wächter und Spione nicht nehmen können, nämlich ihre Hoffnung auf ein Entkommen, auf Liebe, auf Leben...

Im Fortsetzungsroman Die Zeuginnen schließt Margaret Atwood die Lücken, die beim Report der Magd bewusst offen gelassen wurden. Anders als der erste Band, ist Die Zeuginnen ein Pageturner, liest sich wie ein Abenteuerroman. Das Ende ist sogar so gestaltet, dass es Raum für eine Fortsetzung bietet. Sprachlich vielleicht nicht so wuchtig wie in 1985, so schafft es Margaret Atwood allerdings den Finger in der Wunde zu halten und uns bewusst zu machen, dass unsere Wirklichkeit nicht so weit entfernt ist von ihrer Fiktion. Beängstigend.

Margaret Atwood, geboren 1939 in Ottawa, gehört zu den bedeutendsten Erzählerinnen unserer Zeit. Ihr Report der Magd wurde zum Kultbuch einer ganzen Generation. Bis heute stellt sie immer wieder ihr waches politisches Gespür unter Beweis, ihre Hellhörigkeit für gefährliche Entwicklungen und Strömungen. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem renommierten Man Booker Prize, dem Nelly-Sachs-Preis, dem Pen-Pinter-Preis und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Margaret Atwood lebt in Toronto.

Die Zeuginnen und Der Report der Magd von Margaret Atwood sind bei Piper erschienen.
(JK 11/20)

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