Charles Lewinsky: Melnitz (Diogenes)

Neu aufgelegt mit einem Nachwort des Autors erschien bei Diogenes der ursprünglich 2006 erschienene Roman Melnitz des schweizerischen Autors Charles Lewinsky.

Als eines Nachts im kleinen Schweizer Judendorf Endingen im Jahr 1871 ein entfernter Verwandter der Familie des Viehhändlers Solomon Meijer an die Tür der Meijers klopft, ahnt keiner, dass sich das Leben der Familie von diesem Moment an radikal ändern wird. Janki Meijer, aus der französischen Armee entflohen, bringt frischen Wind in die Familie und zeigt sich unternehmungslustig. Ein Jahr später hat er eine Braut. Ihr Weg führt sie hinaus aus dem Dorf in die kleine Stadt Baden. Janki versucht sein Glück im Tuchgeschäft. Vom jüdischen Dorf, wo jeder jeden kennt, ist es ein weiter Weg zur Erfüllung des Traums vom ganz normalen bürgerlichen Leben. Nachdem man ihnen endlich das volle Bürgerrecht gegeben hat, hoffen die Meijers darauf, gewöhnliche Schweizer werden zu können. Es geht nach Zürich, Arthur wird Arzt, bald gibt es sogar einen Landwirt. Aber trotz aller Bemühungen stoßen sie immer wieder gegen eine unsichtbare Wand – so wie es ihnen der unsterbliche Onkel Melnitz vorausgesagt hat. Melnitz erzählt von fünf Generationen, die alle um Erfolg und Akzeptanz ringen – in einer Welt, die ihnen immer weniger offen steht und spürbar aus den Fugen gerät.

Wie sich die Geschichte dieser weit verzweigten jüdischen Familie bis ins Jahr 1945 entwickelt, erzählt Lewinsky mit einer solchen Gestaltungskraft, dass die Leser unweigerlich zu einem bangenden und hoffenden Teil der Familie werden. Dabei zeigt Lewinsky auf den latenten Antisemitismus in der Schweiz, allerdings ohne Pathos und überaus unterhaltsam.

Charles Lewinsky, 1946 in Zürich geboren, arbeitete als Dramaturg, Regisseur und Redakteur, seit 1980 als freier Autor. Er schreibt Hörspiele, Romane und Theaterstücke; außerdem verfasst er Drehbücher, etwa für den Film Ein ganz gewöhnlicher Jude. Für seine Romane hat er zahlreiche Preise bekommen: Für Johannistag erhielt er den Schillerpreis der Zürcher Kantonalbank; Melnitz wurde in zehn Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet, u.a. in China als Bester deutscher Roman 2006, in Frankreich als Bester ausländischer Roman 2008. Gerron wurde 2011 für den Schweizer Buchpreis nominiert, der Roman Kastelau war für den Deutschen Buchpreis 2014 nominiert. Charles Lewinsky lebt in Zürich und Frankreich. 

Melnitz von Charles Lewinsky ist bei Diogenes erschienen.
(JK 05/21)

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