Voller Trauer und mit einer großen Liebe zum Leben setzt Yan Lianke in seinem Roman Der Traum meines Großvaters, der bei Ullstein erschienen ist, all jenen Menschen ein poetisches Denkmal, die dem in China bis heute vertuschten Aids-Skandal der 90er Jahre zum Opfer fielen.
Die Sonne geht unter über der chinesischen Provinz Henan und taucht das Tal in Rot. Ein toter zwölfjähriger Junge erscheint seinem Großvater in dessen Träumen und erzählt uns diese unglaubliche Geschichte: Vor vielen Jahren folgten die Bürger im Dorf Dingzhuang einem Aufruf der Regierung und verkauften ihr Blut. Ein besseres Leben wurde ihnen versprochen, und der Großvater, Lehrer und Dorfvorsteher, riet ihnen gut zu. Sein ältester Sohn organisierte den Handel, und für eine Weile zog tatsächlich ein wenig Wohlstand ein. Dann aber kam die Krankheit, die die einstigen Spender schlicht das Fieber nennen und die sie nun aus dem Leben weht wie tote Blätter von den Bäumen.
Yan Lianke erzählt von einer Schicksalsgemeinschaft und ihrem zum Scheitern verurteilten Versuch, in einer extremen Situation menschlich zu bleiben und hat ein beeindruckendes Werk geschrieben. Der Autor ging bewusst das Risiko als offiziell anerkannter und viel beachteter Schriftsteller ein, mit seiner Geschichte um korrupte, gewissenlos handelnde Parteikader einen rigorosen Tabubruch zu begehen. Dementsprechend wurde sein Roman umgehend verboten und Yan Lianke wurde von den chinesischen Behörden isoliert, die Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse versagt.
Sein Roman ist als eine Mischung aus Roman und Dokument verfasst, um die Geschehnisse der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Trotz des tragischen und traurigen Inhalts schafft es Yan Lianke der Geschichte amüsante Lichtblicke einzuhauchen, wie beispielsweise die Liebeleien, Intrigen und Alltagsproblemen der an Aids erkrankten Bewohner eines Dorfes, die eine Art „Sterbe-Wohngemeinschaft“ gründen.
Yan Lianke, 1958 in der Provinz Henan geboren, erhielt für seine Romane und Erzählungen zahlreiche Auszeichnungen, u.a. die bedeutendsten Literaturpreise Chinas.
(JK 10/09)
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