Es ist tatsächlich passiert. Am 28. Februar 2005
erschießt eine Frau den Mann, den sie liebt. Der Pariser Bankier Edouard Stern
wird ermordet in seiner Genfer Wohnung gefunden. Der französische
Schriftsteller Régis Jauffret hat nun einen Roman aus der Perspektive der
Mörderin geschrieben. Er trägt den Titel Streng
und ist bei Piper erschienen.
Ich lernte ihn an einem Frühlingsabend kennen. Ich
wurde seine Geliebte. Den Latexoverall, den er zum Zeitpunkt seines Todes trug,
hatte ich ihm geschenkt. Ich war seine Sexsekretärin. Er brachte mir den Umgang
mit Waffen bei. Er schenkte mir einen Revolver. Ich knöpfte ihm eine Million
Dollar ab. Er holte sie sich zurück. Ich schoss ihm eine Kugel zwischen die
Augen. Er fiel mit dem Stuhl, an den ich ihn gefesselt hatte. Er atmete noch.
Ich habe ihn erledigt. Dann ging ich duschen.
Régis Jauffret war für die Wochenzeitung Nouvelle
Observateur 2009 Beobachter am Prozess in Genf. Er war bestürzt, mit welcher
Brutalität das Privatleben des Bankiers ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt
wurde. Es ist der Medienrummel, der die Sicht auf die Tat verändert, kürzlich
erst erlebt in den Fällen Kachelmann oder Strauss-Kahn. In dem Prozess in Genf wird die Geliebte zum
Opfer. Ihre Tat wird relativiert. Und der Saubermann, das eigentliche Opfer,
wird sprichwörtlich zur Schlachtbank geführt und zum Angeklagten, obwohl der
sich bisher überhaupt nichts zu Schulde hat kommen lassen. Diese Ausgangslage
veranlasst Jauffret seine eigene Geschichte zu diesem Fall zu entwerfen. Aber
das bringt ihm erstmal selber Ärger ein. Die Familie des Bankiers versucht,
Jauffrets Roman in Frankreich verbieten zu lassen.
Sein Roman ist im Grunde ein Abbild unserer heutigen
Gesellschaft. In einem Medienprozess wird einem der Fall eines Mächtigen
vorgeführt, dessen Privatleben mit einer gehörigen Menge an Sex und Gewalt für
starke Reaktionen in der Öffentlichkeit sorgt. An der Wahrheit ist die
Öffentlichkeit weniger interessiert, als an geschmacklose Details aus dem Leben
des Opfers. Jauffret hat einen eindringlichen und nachdenklichen Roman
geschrieben.
Régis Jauffret, 1955 in Marseille geboren, ist Autor
zahlreicher, zum Teil preisgekrönter Romane und eines Theaterstücks. Für Univers,
univers erhielt er im Jahr 2003 den Prix Décembre, für Asiles de fous
den Prix Femina 2005. Régis Jauffret ist Vater von zwei Kindern und lebt in
Paris.
Streng von Régis Jauffret ist bei Piper erschienen.
(JK 07/11)
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