Verleihung des Mara-Cassens-Preises 2011
Max Scharnigg wird für seinen Roman Die Besteigung der Eiger-Nordwand unter einer Treppe ausgezeichnet, der bei Hoffmann und Campe erschienen ist.
Für seinen Debütroman Die Besteigung der Eiger-Nordwand unter einer Treppe erhält der Autor Max Scharnigg den mit 15.000 Euro dotierten „Mara-Cassens-Preis für den ersten Roman” des Literaturhauses Hamburg. Der nach seiner Stifterin benannte Preis wird seit 1970 vergeben. Seit der Anhebung des Preisgeldes um 5.000 Euro in diesem Jahr ist der Mara-Cassens-Preis der bundesweit höchstdotierte Literaturpreis für ein deutschsprachiges Romandebüt. Er ist außerdem der einzige Literaturpreis, der von einer Leserjury vergeben wird. Die Hamburger Stifterin Mara Cassens möchte mit ihrem Preis Autoren und Autorinnen ermöglichen, „sich für eine gewisse Zeit ganz dem Schreiben zu widmen”. Die Preisträger der letzten Jahre waren Lukas Bärfuss (2008), Roman Graf (2009) und Sabrina Janesch (2010).
Wegen seiner außergewöhnlichen Erzählkraft, seiner Lust am Fabulieren jenseits des literarischen Mainstreams und seiner einzigartigen Hand für das Magische fiel die Wahl der Jury auf den Roman mit dem berückenden Titel „Die Besteigung der Eiger-Nordwand unter einer Treppe“ von Max Scharnigg. In diesem bezwingend magischen Text erzählt der Autor Scharnigg vom jungen Nikol Nanz, einem zeitgenössischen Mann ohne Eigenschaften, der mir nichts, dir nichts aus seinem belanglosen Journalistenleben mit depressiver Freundin aussteigt. Als er eines Abends nach Hause kommt, findet er neben dem Türvorleger ein Paar blassgrüne Herrenschuhe vor, die definitiv nicht die seinen sind, und meint, hinter der Milchglasscheibe die Stimmen der angeblich bettlägerigen M. und eines Fremden zu hören. Nikol Nanz zögert keine Sekunde: Flugs bezieht er ein Kabuff unter der Treppe, verschanzt sich hinter Kinderwagen, Papierkörben und ist fürderhin nicht mehr da. Doch der, der nicht gesehen wird, sieht alles: Obdachlose, die das Haus tagsüber bevölkern, Hunde, die vorbeischnuppern. Frei von allen körperlichen Bedürfnissen findet er unter der Treppe die ersehnte Ruhe und beginnt, an seinem Artikel über die Besteigung der Eiger-Nordwand im Jahre 1938 zu schreiben – im Kopf freilich. Dann trifft er im Hause einen Bruder im Geiste: Schmuskatz ist Mitte 80, ein ehemaliger Gletscherfotograf, der seine Bibliothek nach Zueignungen sortiert, mit einem ausgestopften Reiher parliert und sich ausschließlich von Paprikahendln ernährt, als Hommage an eine einst angebetete Dame. Ausgestattet mit üppiger Bergausrüstung machen sich die beiden Sonderlinge auf, die Eiger-Nordwand samt des zweiten Stockes ihres Altbaus zu erobern.
(JK 01/12)
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