Jean Mattern: September (Berlin Verlag)

München 1972. Es sollten die heiteren Spiele werden... Der französische Autor Jean Mattern lässt die Olympischen Spiele von 1972 in seinem Roman September, der im Berlin Verlag erschienen ist, wieder auferstehen.

Zwei Journalisten, ein BBC-Korrespondent und ein rätselhafter New Yorker, frisch akkreditiert, um über die Olympischen Spiele zu berichten, begegnen sich am Vorabend der großen Eröffnungszeremonie. Sie sind fasziniert voneinander, versuchen, sich aus dem Weg zu gehen – die beiden gestandenen Männer benehmen sich wie verliebte Teenager. Es entspinnt sich eine amour fou, die zunächst keiner der beiden zu leben wagt. Wenige Tage später schlägt das palästinensische Terrorkommando zu. Die beiden Journalisten werden zu Augenzeugen jener Ereignisse, aus denen weder Israel, noch Palästina, weder Deutschland, noch Olympia – aus denen wohl einfach niemand unbeschadet hervorgeht. Hat eine so private, eine so komplizierte Sache dagegen eine Chance?

Jean Mattern hat das fürchterliche Drama des 5. September minutiös recherchiert. Und doch ist dies vor allem die stilistisch virtuose Geschichte einer großen Liebe, die damals noch ein Skandal gewesen wäre. Die Stärke des Romans von Jean Mattern ist die Qualität der Dokumentation und das permanente Spiel mit Parallelen, Zeitebenen und Spiegeleffekten. Jean Mattern demonstriert in seinem Roman seine hohe Qualität des Schreibens: präzise, ​​diskret, mit einem Spiel, das die Realität der Fakten beachtet und Lebenserfahrung hinterfragt, einerseits mit sehr sachlichen Passagen ohne Adjektiv und andererseits mit einer Dringlichkeit, einem sich beschleunigenden Rhythmus. Die Struktur des Textes erinnert an die einer griechischen Tragödie mit einem gesprochenen Prolog, eine Art Chorgesang, der die Handlung in den Ort einpasst, dann die Abfolge von Episoden bis zum Drama, und schliesslich der Epilog, der die durch den Chor besungene Handlung schließt. Die Figuren selbst sind tragisch, weil sie durch eine höhere Kraft überwältigt werden, einem Schicksal, das sie schrecklich menschlich erscheinen lässt und es dem Erzähler erlaubt, Akzente in Anspielung auf die mythologische Figur der Phaedra zu setzen.
September ist ein kurzer, intensiver Roman, ein historisches Drama, das von der Unvollkommenheit des Lebens erzählt. Er enthält die Forderung nach Aufrichtigkeit den Tatsachen und den Gefühlen gegenüber, eine Ernsthaftigkeit, die der Erzähler denen widmet, die nicht mehr da sind: Die Opfer des Angriffs. Sam Cole. Seine Tochter.

Jean Mattern wurde 1965 geboren und wuchs in Deutschland auf. Er lebt in Paris, wo er als Verlagslektor arbeitet. September ist sein vierter Roman.

September von Jean Mattern ist im Berlin Verlag erschienen. 
(JK 06/15)

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