Deutsches
Schauspielhaus
Mittwoch, 05.12.2018 20.00
Uhr
Kirchenallee 39, Hamburg
Eintritt: 12 / 22 Euro
Der Sound der Vergeblichkeit: Heinz Strunk liest
aus seinem Buch Das Teemännchen, das bei Rowohlt erschienen ist.
Es geht
nicht gut aus. Nie. Heinz Strunk bläst in seinem Erzählband Das Teemännchen mit großer Hingabe zur
Attacke gegen alles Versöhnliche und Konziliante, erbarmungslos wird bei ihm
zum Brandbeschleuniger des Verderbens, worauf man als Ausflucht aus den
Zumutungen des Lebens hoffen könnte. Dabei sind die 50 Miniaturen des Bandes
genau getaktet, von der kleinen Niederlage, die sich zum Lebensdebakel
auswächst, über all die zur Erweiterung der Vorstellungskraft aufgeworfenen
körperlichen Bedürftigkeiten bis zur „wundersamen Fügung“ in einem finalen „Aufstand
der Kleinfahrzeuge“. Es sind Texte, die sich einbrennen, pointiert und direkt,
und sie haben durch ihren unerbittlichen Blick auf das Allzumenschliche auch
noch den Effekt einer heilsamen Katharsis.
In seinen
bisherigen Büchern hat Heinz Strunk, der auch als Musiker und Entertainer sehr
erfolgreich ist, vor allem aus seinem eigenen Leben erzählt, in seinem Debüt,
dem Bestseller Fleisch ist mein Gemüse,
von einem Musiker, der mit einer Tanzkapelle durch Norddeutschland tingelt.
Skurrile und dabei doch treffende Milieubeschreibungen vor allem aus den
gesellschaftlichen Randgebieten sind zum Markenzeichen seiner Literatur
geworden.
In seinem
Roman Der goldene Handschuh, der in
diesem Sommer von Fatih Akin verfilmt wurde, leuchtet er mit dem Frauenmörder
Fritz Honka die Nachtseite Hamburgs in den 1970er Jahren aus und damit eine
nicht allzu lange nach dem Krieg und der Nazi-Diktatur verrohte Gesellschaft.
Mit seinem Roman Jürgen ist ihm dann
erneut ein Bestseller gelungen, der literarisch jedoch nicht an den Vorgänger
anknüpfen konnte. Sein Erzählband Das
Teemännchen ist nun wieder „high end literatur at it’s best“, wie der Autor
auf seiner Website „in aller erdenklicher Unbescheidenheit“ selbst anmerkt.
Seinen
Themen ist Strunk treu geblieben: Alkohol, Sex, Übergewicht, Einsamkeit und
Antriebslosigkeit, das ist der Kanon, der in den Prosaminiaturen von wenigen
Sätzen bis ein paar Seiten in einem breiten Gesellschaftspanorama der
Abgehängten, Ausgestoßenen und Verlorenen angestimmt wird. Ein alternder „Weltstar“
gerät in einer Kneipe in St. Pauli an seine Grenzen, das Lebensglück der
Imbissbuden-Schönheit Anja geht am „Borstelgrilleck“ zu Schanden, die „legendären
Albrecht-Brüder“ und das „Cleverle“ Lothar Späth finden ihr Unglück ebenso wie „Janine“
und „Der kleine Herr Diba“, der sein Pech immer schon geahnt hat und endlich „koppheister“
in der Toilette abrauscht. Zu großer Form läuft Strunk auf, wenn Realität,
Phantasie und Wahnsinn in existenziellen Grenzsituationen ineinander fallen, ob
„Über den Wolken“, wo sich ein Mann gefesselt an das Rotorblatt eines Windrades
die Seele aus dem Leib kotzt oder in einem Hotelzimmer in Düsseldorf, das sich
als „Schwarzes Loch“ erweist, in dem nach und nach die persönlichen Dinge und
dann auch ein Reisender selbst verschwindet.
Man hofft,
mit den Figuren dieser meisterhaften Erzählungen immer wieder, es könnte „alles
nur ein schlimmer Traum“ gewesen sein oder ein besonders hinterhältiger
Treppenwitz. „Weiß man’s?“ Bei Heinz „Heinzer“ Strunk „sickert die Dunkelheit
wie flüssiger Teer durch ein Loch im Universum“, sein Humor ist rabenschwarz.
Und wer trotzdem lacht, hat alles richtig gemacht, denn es bleibt der einzige,
wenn auch schwache Trost: „Es erlischt, was mal loderte oder wenigstens glomm.
Wir kommen aus dem Nichts und verschwinden im Nichts, alles sonst sind fromme
Wünsche und infantile Phantastereien.“
Das Teemännchen von Heinz Strunk ist bei Rowohlt erschienen.
(JK 12/18)
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