Sabrina Janesch wird mit dem Mara-Cassens-Preis 2011 ausgezeichnet

Für ihren Romanerstling Katzenberge, erschienen im Aufbau Verlag, erhält die Autorin Sabrina Janesch den mit 10.000 Euro dotierten „Mara-Cassens-Preis für den ersten Roman” des Literaturhauses Hamburg. Der nach seiner Stifterin benannte Preis wird seit 1970 vergeben und gehört zu den bundesweit höchstdotierten Literaturpreisen für ein deutschsprachiges Romandebüt. Er ist der einzige Literaturpreis, der von einer Leserjury vergeben wird. Die Hamburger Stifterin Mara Cassens möchte mit ihrem Preis Autoren und Autorinnen ermöglichen, „sich für eine gewisse Zeit ganz dem Schreiben zu widmen”. Die Preisträger der letzten Jahre waren Larissa Boehning (2007), Lukas Bärfuss (2008) und Roman Graf (2009).

Die Jury besteht aus 15 Mitgliedern des Literaturhaus Hamburg e.V., die nicht dem Literaturbetrieb angehören, sondern sich in ihrer Freizeit als begeisterte Leser mit den Büchern beschäftigen. In diesem Jahr las die Jury unter dem Vorsitz des Berliner Romanciers Joachim Helfer rekordverdächtige 21.722 Romanseiten, da sich 69 Verlage mit 87 Debüts an der Ausschreibung beteiligten. Mit 33 Debütromanen mehr als im vergangenen Jahr ist dies der verbürgte Rekord seit Bestehen des Preises. Doch der Jahrgang 2010 war nicht nur quantitativ herausragend: Die Jury bewertete viele Romanerstlinge als literarisch äußerst bemerkenswert und gelungen, darunter vor allem Moritz Rinkes „Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel”, Joachim Geils „Heimaturlaub”, Inger-Marie Mahlkes „Silberfischchen”, Judith Zanders „Dinge, die wir heute sagten” und Alissa Walsers „Am Anfang war die Nacht Musik”. Wegen der literarisch kraftvollen Bearbeitung ihres Themas, ihrer eindrücklichen Charaktere und ihrer präzisen, poetischen Sprache fiel die Wahl schließlich auf Sabrina Janeschs „Katzenberge”.

In Katzenberge widmet sich die junge Autorin Sabrina Janesch einem selten bearbeiteten Thema der europäischen Geschichte: Sie erzählt von der Aussiedlung der Ostpolen nach Schlesien und der Vertreibung der Deutschen von dort. Die Berliner Journalistin Nele Leibert – Tochter einer polnischen Mutter und eines deutschen Vaters – reist zum Begräbnis ihres geliebten Großvaters Stanislaw Janeczko ins schlesische Örtchen Bagno. In der versunkenen, vergessenen Landschaft, an einem Ort, wo die Straße zum Friedhof „Weg zum Himmel” heißt, macht sich Nele auf die Suche nach ihrer Familiengeschichte. Sie dringt vor bis ins tiefste Galizien und stellt sich den Dämonen, mit denen ihr „Djadjo” Zeit seines Lebens kämpfte. In ihrem souverän erzählten Roman gelingt es Janesch, dem schwirrenden Begriff der ,Heimatlosigkeit’ literarisches Leben einzuhauchen. Mit ihrer magischen, suchenden Sprache zieht sie ihre Leser in den Bann. Die Jury begründete ihre Entscheidung so: „Sabrina Janesch wagt sich mit ihrem ersten Roman Katzenberge auf das schwierige Feld der deutsch-polnischen Geschichte im 20. Jahrhundert. In dichter, aber unangestrengter Sprache, die nicht belehren und nichts beweisen will, erzählt sie die doppelte Vertreibung der Deutschen aus, und der Polen nach Schlesien als deutsch-polnische Familiengeschichte. Dabei schafft sie unvergessliche, vielschichtige Charaktere. In ihrer jungen Protagonistin leben die Vorfahren auf – deutsche wie polnische. Die Vergangenheit wird vergegenwärtigt, das Erinnern weist einen gemeinsamen Weg in die Zukunft.”

Sabrina Janesch wurde 1985 in Gifhorn geboren und hat in Hildesheim Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus sowie Polonistik in Krakau studiert. Sie hat in vielen Literaturzeitschriften veröffentlicht und wurde für ihre literarische Arbeit vielfach ausgezeichnet, u.a. gewann sie den
O-Ton-Literaturwettbewerb des NDR und war Stipendiatin des Schriftstellerhauses Stuttgart und des Literarischen Colloquiums Berlin. 2009 weilte sie als erste Stadtschreiberin in Danzig und berichtete in einem Online-Tagebuch von ihren Eindrücken. 2010 hat sie am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt teilgenommen. Sabrina Janesch lebt als freie Schriftstellerin und Publizistin in Münster. Zur Zeit arbeitet Sabrina Janesch an ihrem zweiten Roman.

Die Preisverleihung fand am 6. Januar im Literaturhaus Hamburg statt und war restlos ausverkauft.

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