7. Harbour Front Literaturfestival
Nochtspeicher
Donnerstag, 17.09.2015 19.00 Uhr
Bernhard-Nocht-Str. 69, 20359 Hamburg
Eintritt: 10 Euro
Debütantensalon, 4. Abend: Die
Heimat in der Fremde ist das Thema der beiden Autoren dieses Abends. Karin
Kalisa liest aus ihrem Roman Sungs Laden, der bei C.H. Beck erschienen
ist und Massum Faryar liest aus seinem Roman Buskaschi oder Der Teppich meiner Mutter,
der bei Kiepenheuer & Witsch erschienen ist. Wlada Kolosowa moderiert.
Karin
Kalisa erzählt in Sungs Laden eine Geschichte, deren Ausganspunkt eine
alte vietnamesische Holzpuppe ist, die in der Aula einer Berliner Grundschule
Schüler und Lehrer verzaubert.
Am
Anfang ist es nur eine alte vietnamesische Holzpuppe, die in der Aula einer
Grundschule Kinder und Lehrer bezaubert. Noch ahnt keiner, dass binnen eines
Jahres der Prenzlauer Berg auf den Kopf gestellt werden wird: Das Szene-Viertel
entdeckt seinen asiatischen Anteil und belebt seine anarchisch-kreative Seele
neu. Brücken aus Bambus spannen sich zwischen den Häusern, Parkraumwächter
tragen Kegelhüte, auf Brachflächen grünt exotisches Gemüse, und ein Zahnarzt
macht Sonntagsdienst für Patienten aus Fernost. Nachdem auf dem Dach des
Bezirksamts kurzzeitig auch noch die Ho-Chi-Minh-Flagge wehte, münden die Aktionen
in ein Fest, wie der Kiez noch keines erlebt hat: großes vietnamesisches
Wassermarionetten-theater in einem Ententeich! Vom Gemischtwarenladen des
studierten Archäologen Sung nimmt all dies seinen Ausgang. Hier treffen die
Schicksale ehemaliger vietnamesischer Vertragsarbeiter mit den
Lebensgeschichten früherer DDR-Bürger zusammen, von hier aus wird der Kiez
nicht nur mit Obst und Gemüse, sondern auch mit dem guten Geist der
Improvisation versorgt. Und siehe da: Gute Laune ist auch in Berlin möglich! Eine
Utopie, natürlich. Aber eine hochgradig ansteckende.
Karin
Kalisa, geboren 1965, lebt nach Stationen in Bremerhaven, Hamburg, Tokio und
Wien seit einigen Jahren im Osten Berlins. Sowohl als Wissenschaftlerin als
auch mit dem Blick einer Literatin forscht sie in den Feldern asiatischer
Sprachen, philosophischer Denkfiguren und ethnologischer Beschreibungen.
Massum
Faryar hat mit Buskaschi oder der Teppich meiner Mutter ein
orientalisches Epos vorgelegt. Am Anfang
steht eine Reise in die Vergangenheit: Schaer, der während der sowjetischen
Besatzung aus Afghanistan fliehen musste, kehrt im Jahr 2008 zurück, um seine
alte und kranke Mutter Khurschid in Herat zu besuchen. Er will ihre
Erinnerungen vor dem Vergessen bewahren. Nach und nach fördert er ihre Geschichte
zutage, die ganz eng mit der Geschichte des Landes verwoben ist, und gibt
alles, um ihren letzten Wunsch zu erfüllen. Der üppige und kostbare Teppich
seiner Mutter dient ihm dabei als Erinnerungsstütze. In seiner Mitte zeigt er
den afghanischen Nationalsport Buskaschi, einen Reiterwettkampf um eine tote
Ziege, und liefert damit das Leitmotiv für die Geschichte des Landes. Ähnlich
opulent entfaltet sich die Geschichte von Khurschid und Scharif, die durch die
Wirren des Landes führt, das sich von der britischen Besatzungsmacht befreien
und eigenständig werden will, aber in einen Strudel aus Stammesfehden und
Rivalitäten der Großmächte gerät – und zu einem Ausgangspunkt des Islamismus
wird. Scharif, Sohn eines Bauern, Koranschüler und Lehrjunge eines Gemüsehändlers,
erobert das Herz von Khurschid und wird zu einem einflussreichen Geschäftsmann
– und er verliert seinen Traum, zum Buskaschi-Helden zu werden, nicht aus den
Augen. Der Buskaschi-Kampf im Jahr 1960 wird zu einem Wendepunkt in seinem
Leben.
Massum
Faryar erzählt eine große Familiensaga mit einer bildreichen, farbenprächtigen
Sprache, packenden Dialogen und tiefem Verständnis für die Wechselfälle der
Geschichte.
Massum
Faryar, gebürtiger Afghane, kam in den 80er-Jahren nach Deutschland. Er studierte
in München Germanistik und Politikwissenschaft und promovierte in diesen
Fächern an der Freien Universität Berlin. Für seine Arbeit an Buskaschi
erhielt er das Alfred-Döblin-Stipendium.
Buskaschi oder der Teppich meiner Mutter von Massum Faryar ist bei Kiepenheuer
& Witsch erschienen. Sungs Laden von Karin Kalisa ist bei C.H. Beck erschienen.
(JK 09/15)
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