St.
Pauli Theater
Dienstag, 01.03.2016 19.30 Uhr
Spielbudenplatz 29 – 30, Hamburg
Heinz Strunk stellt seinen Roman Der goldene Handschuh vor, der bei Rowohlt erschienen ist.
„Mensch,
Fritz, hier stink‘s aber wieder.“ Das fällt allen, die seine Wohnung in der
Zeisstraße 74 in Ottensen betreten, zuerst auf. Den Grund weiß ja keiner. Nur
der Fritz selber, den im Goldenen Handschuh und im Elbschlosskeller am
Hamburger Berg auf dem Kiez alle Fiete nennen. Von ihm erzählt Heinz Strunk in
seinem neuen Roman, einem düsteren, sehr traurigen und zugleich hellsichtigen
Heimatbuch, in dessen Zentrum die Geschichte des berühmten Hamburger
Frauenmörders Fritz Honka steht.
„Mit
einem gigantischen BOOOOST“, so schreibt er in einem „Grußwort“ auf seiner
Website, würde sein, „radikaler Tatsachenroman“ über Fritz Honka erscheinen,
und auch wenn Heinz Strunk einen gewissen Hang zu euphorischer Werbung in
eigener Sache hat, ist das ganz richtig: Der
goldene Handschuh ist unter den sechs Finalisten für den Leipziger
Buchpreis, der in diesem März vergeben wird und auf direktem Weg in die
Bestsellerlisten. In seinen bisherigen Romanen hat Strunk, der auch als Musiker
und Entertainer sehr erfolgreich ist, vor allem aus seinem eigenen Leben
erzählt, in seinem Debüt, dem Bestseller Fleisch
ist mein Gemüse, von einem Musiker, der mit einer Tanzkapelle durch
Norddeutschland tingelt. Skurrile und dabei doch sehr treffende
Milieubeschreibungen sind das Markenzeichen seiner Literatur. In seinem neuen
Roman leuchtet er die Nachtseite Hamburgs in den 1970er Jahren aus – und damit
eine nicht allzu lange nach dem Krieg und der Nazi-Diktatur verrohte
Gesellschaft.
Fritz
„Fiete“ Honka hat Anfang der 1970er Jahre im Goldenen Handschuh einen
Stammplatz. Wer sich in einer klammen Märznacht spät abends am Hamburger Berg
in eine der durchgehend geöffneten Kaschemmen verirrt, wird auch heute noch
solche treffen, wie die, mit denen er sich dort ständig bis zur
Besinnungslosigkeit besäuft. Damals sind ihre Namen Fanta-Rolf,
Soldaten-Norbert, Tampon-Günter, Doornkaat-Willy oder Ritzen-Schorsch, Inge,
Gertrud, Gisela. Die Doppelnamen muss man sich verdienen, die sind eine
Auszeichnung, so wie der Spitzname Fiete, jedenfalls denkt sich Fritz Honka das
so zurecht, und dass er was Besonderes ist: „So was denkt er öfter“ auch. Fritz
Honka wird tatsächlich als Albtraum-Mann, als Inbegriff des grausamen Mörders
berühmt. Seine Opfer sind ältere, wehrlose Frauen Alkoholikerinnen, die er im
Goldenen Handschuh abschleppt, tage- und wochenlang misshandelt. Wenn er sie
dann satt hat, erdrosselt er seine Opfer, zerstückelt die Leichen und versteckt
sie in einer Abseite seiner Wohnung. Heinz Strunk lässt all das nicht aus, er
erzählt von den Morden, von den „Anbahnungen“, vom „Vernichtungstrinken“, von
dieser fatalen Sprachlosigkeit am untersten Rand der Gesellschaft, in dem sich
das abspielt.
Doch im
Handschuh stürzen auch ganz andere Leute ab, zum Beispiel der Reedersohn WH3.
Heinz Strunk verbindet die Geschichte des Frauenmörders Honka in seinem Roman
mit Berichten aus der obersten Etage der Hamburger Gesellschaft, wo man „von
Dohren“ heißt, „von Lützow“ oder „Thiessen“. So viel zivilisierter als unter
den Fietes dieser Welt, geht es dort nicht zu. Und im Goldenen Handschuh sind
sie sowieso alle gleich, ob Reeder oder Nachtwächter, die Hoffnung auf ein
bisschen Glück lassen sie dort alle für den großen Suff fahren. Und werden,
ganz gleich wie sie heißen, gestraft durch die Erbärmlichkeit, in die der Suff
sie entlässt.
Der
Ausblick, den Heinz Strunk in seinem Roman dann gibt, ist fast schon
versöhnlich: Rolf Bossi, ein Staranwalt, übernimmt 1976 die Verteidigung von
Fritz Honka, der wegen Mordes in einem Fall und Totschlag in drei Fällen zu
einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt wird. Er stirbt nach Verbüßung
seiner Haftstrafe 1998 in der Psychiatrie in Ochsenzoll. Der Albtraum ist
irgendwie in einer zivilisierteren, einer humaneren Welt angekommen, in der es
Richter gibt, Gefängnisse, Heime, Psychologen, Therapeuten – und Romane wie Der goldene Handschuh von Heinz Strunk,
die eine ganz eigene Sprache für das Unsagbare finden, für einen wie diesen
Fritz Honka und diese erbärmlich kalte und gefühllose Welt, in der er groß
werden musste.
Der
goldene Handschuh von
Heinz Strunk ist bei Rowohlt erschienen.
(JK 02/16)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen