Seine Bewunderer nennen
den portugiesischen Schriftsteller João Tordo den „jungen José Saramago“, denn
er gilt in seiner Heimat als brillanter Erzähler. Bei Droemer ist von João
Tordo der Roman Stockmans Melodie erschienen.
Im Zentrum der
düster-melancholischen Doppelgängergeschichte steht der Jazz-Kontrabassist
Hugo, der nach erfolglosen Jahren in Montreal hoch verschuldet und mit Alkohol-
und Drogenproblemen, physisch wie psychisch angeschlagen in seine Heimat
Lissabon für ein Sabbatjahr zurückkehrt. Sein Ziel ist, hier von seinem Alkoholproblem
wegzukommen, sein Leben neu zu ordnen, Energie zu tanken, die ihm sowohl in
seinem Leben als auch beim Musizieren fehlt, seine Familie zu besuchen –
insbesondere seine Zwillingsschwester und seinen Neffen Mateus – und
schließlich die Komposition eines Musikstücks zu vollenden, an der er schon zu
lange schreibt, ohne die Note gefunden zu haben, die seine Blockade aufhebt. Doch
bei einem Konzert des berühmten Pianisten Luís Stockman gerät der 43-Jährige in
einen Alptraum: Stockman spielt seine, Hugos, Komposition! Als Hugo auch noch
verwechselt wird und seine eigene Mutter seine Identität bezweifelt, beginnt
für ihn eine obsessive Suche nach der Wahrheit.
Stockmans Melodie ist einerseits phantastisch unterhaltend, andererseits philosophisch
und literarisch. Der Roman dreht
sich um die Identität zweier Männer, was sie bestimmt und antreibt. Es ist ein Roman über unsere eigene
Individualität, an deren Einzigartigkeit zu glauben lohnt. Hugo blickt bei
Stockman in einen Spiegel, sieht sich so, wie er selbst gerne wäre. Der Roman
beschreibt diesen bitteren Weg, auf der Suche nach etwas zu sein, von dem man
glaubt, es fehle. Man begibt sich auf die Suche nach etwas, das dem Leben wieder
Sinn geben kann, wo alles um einen herum schwarz und quälend scheint, man sich
verloren fühlt. Und dann merkt man, dass die Wahrheit gar nicht so wichtig ist,
sondern die Erkenntnis wächst, dass eine Reise sich viel reicher gestalten kann,
wenn man nicht von vornherein schon ein bestimmtes Ziel hat.
Der Portugiese João Tordo,
Jahrgang 1975, zählt zu den wichtigsten Schriftstellern seines Landes. Er
studierte Philosophie in Lissabon sowie Journalismus in London. Dort schrieb er
auch für Zeitungen und Zeitschriften wie The Independent, Icon und News
Magazine. 2002 ging er nach Amerika, wo er Creative Writing am City College of
New York studierte. Ab 2002 arbeitete er als freier Journalist u.a. für
Zeitschriften wie Sábado, Elle oder die Wochenzeitung Expresso. Heute ist er
hauptsächlich als Romancier und Drehbuchautor tätig. Stockmans Melodie
ist Tordos sechster Roman, mit dem er erstmals auf Deutsch erscheint. Für seine
Vorgänger wurde er bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet, so gewann er
2009 den renommierten Prémio Literário José Saramago, den wichtigsten
portugiesischen Literaturpreis.
Stockmans Melodie von João Tordo ist bei Droemer erschienen.
(JK 06/16)
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